- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Wahrlich: 2020 war ein verrücktes und schwieriges Jahr, für jede und jeden von uns. Die alles dominierende Coronakrise ist zwar noch längst nicht ausgestanden, doch mit dem Beginn des neuen Jahres macht sich Hoffnung breit.
Die neuen Impfstoffe der findigen Pharmaindustrie werden die Pandemie ein gutes Stück zurückdrängen und wir dürfen erwarten, zumindest einen Teil des kaltgestellten gesellschaftlichen Lebens zurückzugewinnen.
Der Rahmenvertrag hätte fatale Auswirkungen
Gleichzeitig bieten sich neue Perspektiven in der schweizerischen Aussenpolitik, die immer auch Innenpolitik ist. Das zeigt sich kaum irgendwo stärker als in der Europafrage und beim Institutionellen Abkommen («Rahmenvertrag») mit der EU.
Denn dieses Abkommen will die Schweiz zur Übernahme von EU-Recht zwingen und im Streitfall den fremden Richtern des Europäischen Gerichtshofs unterwerfen, also dem Gericht der Gegenpartei.
Welche Auswirkungen das auf Politik und Rechtsordnung unseres Landes hätte, kann man sich ausmalen.
Die Fronten bewegen sich
Die Verhandlungen über das Abkommen stecken in der Sackgasse. Wie kommt der Bundesrat da nur wieder heraus?
Der Austritt Grossbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt per 1. Januar 2021 kommt da wie gerufen. Allen Unkenrufen und allen Drohgebärden aus Brüssel zum Trotz ist eine Einigung überraschend möglich geworden. Die Fronten bewegen sich.
Experiment in Echt
Für die Schweiz ist der Brexit ein Glücksfall. Was immer auch mit Grossbritannien in Zukunft geschieht: Es ist ein grosses politisches Experiment in Echt. Wir brauchen bloss zuzuschauen – und finden Antworten auf unsere bohrenden Fragen in der Realität.
Bisher glich die Debatte über den Rahmenvertrag und die Souveränität der Eidgenossenschaft vielfach einem Glaubenskrieg. Nun können wir die ideologische Brille ablegen und empirisch beobachten, welche Vor- und Nachteile ein Austritt aus dem Binnenmarkt hat und wie sich Freihandel anfühlt.
Rat kluger Diplomatie
Das Dümmste, was der Bundesrat jetzt tun könnte, wäre ein rascher Abschluss des Knebelvertrags. Kluge Diplomatie rät dazu, die Erfahrungen des britischen Experiments abzuwarten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Johnson inszeniert Politik als intellektuelles Spektakel
In der Zwischenzeit werden wir garantiert gut unterhalten werden. Der britische Premierminister Boris Johnson ist ein begnadeter Selbstdarsteller und dichtender Philosoph in 10 Downing Street, ein humoristischer Marc Aurel à l’anglaise, der Politik als intellektuelles Spektakel inszeniert.
Geniessen wir es entspannt aus der ersten Reihe.