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Flawil
31.08.2023

Flawil könnte demnächst zwei Fernwärmenetze erhalten

Bild: Gemeinde Flawil
Die Technischen Betriebe Flawil (TBF) haben sich zum Ziel gesetzt, die lokale Produktion erneuerbarer Energie zu fördern und entsprechende Projekte auch umzusetzen. Darum wurde unter anderem das Potenzial zur Nutzung vorhandener Abwärme geprüft. Das Resultat sind zwei Projekte für Wärmenetze, mit deren Umsetzung Flawil etwa 6700 Tonnen CO2 oder einen Viertel des CO2-Ausstosses für Wärme einsparen könnte.

In Flawil sind diverse Arealentwicklungen und Überbauungen in Planung, welche in den nächsten Jahren realisiert werden sollen. Statt jedes neue Areal, jede neue Überbauung oder jedes sanierte Mehrfamilienhaus mit einer individuellen Heizung zu versehen, haben die Technischen Betriebe Flawil geprüft, ob es gemeinschaftliche Lösungsansätze gibt.

Ein Vorteil von gemeinschaftlichen Wärmelösungen, sei es als Quartierheizung, als Nahwärmeverbund oder als Fernwärmesystem, liegt in deren Skalierungseffekt und in einer gesteigerten Effizienz. Denn in grossen Wärmezentralen kann auch wertvoller Strom produziert werden. Dies ist insbesondere in der kalten Jahreszeit wertvoll, weil dann die Schweiz auf Stromimporte angewiesen ist.

Grosse Projekte ermöglichen auch die Erschliessung von Wärmepotenzialen, mit denen ganze Siedlungen mit Wärme versorgt werden können. Beispiele dafür sind die Abwärme aus der Industrie oder aus grösseren Entsorgungsbetrieben wie Kehrichtverbrennungs- oder Abwasserreinigungsanlagen. Durch die Nutzung solcher Energiequellen kann die Wärmeversorgung teilweise von der Stromversorgung entkoppelt werden. Die Diversifizierung der Wärmeversorgung reduziert die Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen, stärkt die Stromversorgung und schafft lokale Wertschöpfung.

Wärmeauskopplung geprüft

Zur Versorgung der Überbauung Blumenau wurde eine Wärmeauskopplung aus der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Oberglatt geprüft. Dabei hat das beauftragte Ingenieurbüro festgestellt, dass mit der in der ARA Oberglatt vorhandenen Wärme sowie mit einer direkten Verbindung durch den Abwasserstollen ins Dorfzentrum eine wirtschaftliche Wärmeversorgung im Zentrum von Flawil realisierbar wäre.

Wärmeverbund «ARA Oberglatt»

Aus dem gereinigten Abwasser der ARA Oberglatt können, bevor es in die Glatt eingeleitet wird, jedes Jahr etwa 23 Gigawattstunden Wärme gewonnen werden. Durch den Ersatz von Öl- und Gasheizungen mit dieser Fernwärme kann bis zu einem Viertel des Flawiler CO2-Ausstosses für die Wärmeversorgung eingespart werden. Der Wärmeentzug käme auch der Glatt zugute, da zu warm eingeleitetes Wasser schlecht für deren Ökosystem ist.

Mit der in Oberglatt gewonnenen und im Leitungsnetz transportierten Wärme könnten 300 bis 350 Gebäude im Zentrum von Flawil versorgt werden. Im Perimeter der Wärmeversorgung eingeschlossen ist auch das Stickerquartier, in welchem aufgrund der baurechtlichen Vorgaben einzelne Heizungen mit erneuerbarer Energie schwierig umzusetzen sind. Ebenfalls wäre vorgesehen, die Industriegebiete Schändrich und Glatthalde zu erschliessen, um weitere Abwärme aus dem lokalen Gewerbe zu gewinnen und damit den Versorgungsperimeter zu erweitern.

Wärmeverbund «Botsberg»

Auf der Suche nach einer alternativen Wärmequelle für die geplante Wohnüberbauung Botsberg und das daran angrenzende Quartier wurde in der Machbarkeitsstudie die Nutzung von vorhandener industrieller Abwärme geprüft. Bei der Maestrani Schweizer Schokoladen AG fallen aus Produktion, Verarbeitung und Lagerung erhebliche Mengen an Abwärme an. Die Auskopplung der heute anfallenden Abwärme könnte die Versorgung der geplanten Wohnüberbauung sicherstellen. Mit zusätzlich einem Holzheizkraftwerk oder einem Erdsondenfeld könnte das geplante Versorgungsgebiet im Westen diversifiziert und zusätzlich erweitert werden.

Wie geht es weiter?

Der Verwaltungsrat der TBF, die zu 100 Prozent im Eigentum der Gemeinde Flawil sind, hat schon frühzeitig beim Gemeinderat das grundsätzliche Einverständnis für ein Wärmeprojekt eingeholt. Er ist daran, alle rechtlichen Grundlagen für eine Fernwärmeversorgung zu schaffen. Der TBF-Verwaltungsrat hat in der Folge beschlossen, eine Wärmeversorgung Flawil zu prüfen. Er hat dafür im vergangenen Frühjahr die Erarbeitung zweier Vorprojekte für einen Wärmeverbund «ARA Oberglatt» und für einen Wärmeverbund «Botsberg» in Auftrag gegeben. Das Ziel der Vorprojekte ist es, die gewonnenen Erkenntnisse der Machbarkeitsstudie zu vertiefen, deren technische und wirtschaftliche Realisierung abzuschätzen und gemeinsam mit den potenziellen Wärmelieferanten entsprechende Geschäftsmodelle zu erarbeiten.

Einige Herausforderungen

Nebst den technischen und rechtlichen Aspekten geht es in den Vorprojekten insbesondere darum, geeignete Standorte für die Energiezentralen zu finden. Ein weiterer Knackpunkt stellt im Moment die langfristige Finanzierung des Projektes dar. Die Machbarkeitsstudie rechnet, nach Abzug von möglichen Fördergeldern, mit Gesamtkosten in der Höhe von rund 45 Millionen Franken, welche auf mehrere Jahre verteilt anfallen werden. Die Resultate aus den Vorprojekten und die darauf aufbauenden Grundsatzentscheide werden per Ende 2023 erwartet.

Diese Grundsatzentscheide werden auch die Gasnetzstrategie der TBF beeinflussen. Je mehr Fernwärme in Flawil gebaut werden kann, desto eher können Teile des Gasnetzes deaktiviert werden. Gleichzeitig arbeiten die TBF aber auch an der Ökologisierung des Gasnetzes mit der Förderung der verschiedenen lokalen Vorprojekte für die Produktion und Einspeisung von Biogas. Eine interne Konkurrenzierung der beiden Versorgungen soll vermieden werden, um eine langfristige, diversifizierte Versorgung von Seiten der TBF sicherzustellen.

Ein Blick in die Zukunft

Bei diesen Herausforderungen kommt die Frage auf, ob sich der Aufwand und das Risiko für einen Wärmeverbund lohnen. Luca Zillig-Klaus, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Flawil, antwortet auf diese Frage mit einem deutlichen Ja. «Die Nutzung der Abwärme bietet ein grosses Potenzial, um in Flawil einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Energieversorgung näherzukommen. Das Investitionsvolumen ist vergleichbar mit den Netzen für Strom, Gas und Wasser. Diese nutzen und unterhalten die TBF seit über 100 Jahren. Diese Chance, die Energieversorgung in Flawil mit der Investition in Fernwärme zu diversifizieren und zu stärken, sind jetzt besonders günstig, weil 2024 und 2025 die Sanierung der St.Galler- und Wilerstrasse bevorsteht und damit gleichzeitig die Mehrheit der Gebäude im Zentrum mit erneuerbarer Fernwärme erschlossen werden könnten. Zwar ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, aber wir möchten diese Chance nach sorgfältiger Analyse und Planung gerne nutzen», sagt Luca Zillig-Klaus.

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