Die vergangene Parlamentssitzung gab Anlass zu hitzigen Diskussionen und Zwiespalt in einigen Parteien: Das vom Stadtrat mit einem Defizit von 1,781 Millionen Franken kalkulierte Budget 2024 wurde mit knapper Mehrheit im Parlament zurückgewiesen. Den Antrag dazu stellte die SVP: Sie beantragte den betrieblichen Aufwand im Budget 2024 des Städtischen Haushaltes um 1'781 Millionen Franken zu kürzen, dabei jedoch die beantragten Steuersätze für 2024 beizubehalten. Unterstützung fand die SVP daraufhin bei 14 der anwesenden Parlamentarier – 12 waren dagegen und zwei weitere enthielten sich.
Kritik aus denen eigenen Reihen
Erstaunt haben die zwei Enthaltungen, die aus den eigenen Parteien der Stadträte seitens FDP und Mitte kamen. «Es ist besonders tragisch, dass die Parlamentarier/innen ihren eigenen Stadträten mit diesem Entscheid in den Rücken gefallen sind», sagt Florian Kobler, Fraktionspräsident der SP. Auch Erwin Sutter, Präsident der FLiG, findet es bedauerlich. Sowohl SP als auch FLiG stehen der Annahme des SVP-Antrage allgemein kritisch gegenüber: «Wir sind klar der Meinung, dass mit der Rückweisung lediglich ein Mehraufwand an Arbeit erzeugt wird, die dem städtischen Haushalt langfristig aber nichts bringt», sagt Sutter. Diese Ansicht teilt auch die SP: Die Partei unterstütze eine saubere Analyse seitens der bereits aktiven VBK zur Verwaltungsstruktur- und Prozessoptimierung. «Es braucht jedoch keine Schnellschüsse, wie die Rückweisung des Budgets 2024. Diese verursacht nur viel Ärger, Arbeit, Frustration und Kosten», so Kobler.
Antrag ohne konkrete Sparvorschläge
Die Ablehnung der Rückweisung basiert vor allem auf dem Versäumnis der Antragsteller, konkrete Einsparpunkte zu nennen. «Die SVP konnte oder wollte nicht einmal sagen, wo denn Einsparungen vorzunehmen seien», sagt Kobler. «Geschäfte verhindern aber keine Vorschläge für Verbesserungen bringen, ist keine konstruktive Politik», pflichtet Sutter bei. Gemäss Kobler habe die SP auf das Budget eintreten wollen, habe dann aufgrund der destruktiven Situation im Parlament jedoch einen Gegenantrag mit einem konkreten Vorschlag zur Verringerung des Defizits gestellt.
SP schlägt einzig konkrete Massnahme vor
Die Erhöhung der Zahlung der Stadtwerke an die Stadt Gossau um eine Millionen Franken sollte einen ersten Ausgleich schaffen. Dieser Kompromissvorschlag wurde lediglich von der FLiG unterstützt. «Die SP hat mit diesem Antrag als einzige Partei den Mut gehabt, dem Stadtrat zu sagen, wo man ansetzen soll. Ich hätte mir von den anderen Parteien gewünscht, sie hätten sich auch mehr getraut, zumal unser Integrierter Aufgaben- und Finanzplan eine hohe Transparenz bietet», sagt Stadtpräsident Wolfgang Giella. Die Einsparungen über die Stadtwerke zu lösen, wäre generell jedoch nicht zielführend gewesen: «Der Antrag konkret ist falsch, weil wir gerade daran sind, die Abgaben der Stadtwerke an den Stadthaushalt zu überarbeiten", so Giella.
SVP verteidigt Antrag ohne Konkretisierung
«Wir Parlamentarier sind als Miliz in dieser Funktion tätig. Nur der Stadtrat respektive die Ressortleiter können konkrete Streichungen im Budget vornehmen, da sie die Gesamtheit der Zusammenhänge kennen», sagt Fraktionspräsident der SVP Kurt Jau auf Anfrage. Zudem habe er in seinem Votum nahegelegt, den veranschlagten Teuerungsausgleich von 2 % auf die kantonal beschlossene Rate von 1.6 % festzusetzen: «Allein mit diesem Beispiel könnte die Stadt Gossau 160’000 Franken sparen.» Weiteres Einsparpotenzial sehe die SVP in den Bereichen Jugend Alter Soziales sowie bei Bau und Umwelt. Wo genau lässt Jau aber auch hier offen.
Uneinigkeit bei Mitte und FDP
Einheitliche Stimmabgabe bei der Abstimmung zum Antrag der SVP zeigten SP, SVP und FliG. Uneins waren sich die Mitte und FDP. Gemäss FDP-Parteipräsident Andrin Fröhlich sei die FDP auch bei anschliessenden Diskussionen auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen: einerseits sei die Sinnhaftigkeit der Budgetablehnung intern in Frage gestellt worden. Andererseits solle dennoch der notwendige Druck aufgesetzt werden, um grosse Kostentreiber zu hinterfragen und abzuschwächen. «Denn definitiv nicht passieren dürfen Steuererhöhungen – es muss jetzt das Notwendige vom Wünschbaren getrennt werden», sagt Fröhlich. Ruth Lehner, Präsidentin der Mitte, steht hinter dem Entscheid der Zurückweisung, auch wenn die Mittefraktion insgesamt gespalten war: «Bei der Analyse der Ursache des Defizits musste die Fraktion ernüchtert feststellen, dass der Kernaufwand auch wieder ansteigt.» Ein Grund für sie, das Budget erneut in Überarbeitung zu geben.
Freiwillige Aufgaben als Einsparquellen
«Ich persönlich finde es bedauerlich, aber nicht unerwartet. Die Legislative hat beschlossen, die Exekutive muss nun handeln», sagt Giella. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre die Streichung einiger Kostenpunkte im Bereich «freiwillige Aufgaben»: Ein dem Parlament bereits vorliegender Bericht zum Postulat der SVP «Verwaltungsstrukturen und –prozesse überprüfen» enthält eine Auflistung aller städtischen Aufgaben, die freiwillig sind oder denen kein expliziter gesetzlicher Auftrag zu Grunde liegt. «Bei diesen Aufgaben müssen nun Legislative, Exekutive und Verwaltung Positionen bewerten und fokussieren, die die Stadt künftig nicht mehr machen wird», sagt Giella. Die meisten dieser Aufgaben seien über die letzten Jahre und Jahrzehnte der Stadt übertragen worden. «Eine mögliche Abschaffung wird Folgen haben, die in irgendeiner Weise aufzufangen sind. Dies wird der eigentliche Kern der Debatte werden», ist sich Giella sicher.
Kalte Verschuldung vermeiden
Wenn der Rotstift angesetzt wird, sieht die FliG die Möglichkeit, die geplanten Investitionen für den Moment zu streichen: «Dies ist aber nur ein Aufschieben von Geschäften, welche zu einem späteren Zeitpunkt trotzdem ausgeführt werden müssen», sagt Sutter. Dem pflichtet Giella bei: «Insbesondere bei den werterhaltenden Investitionen sollten wir nicht sparen, denn sonst schieben wir einen immer grösseren Investitionsbedarf vor uns her, der uns oder unsere Nachfolger dereinst belasten wird.» Der Stadtpräsident spricht in diesem Zusammenhang von einer «kalten» Verschuldung, die nicht zielführend wäre. Gemäss Kobler habe diese bereits stattgefunden und die Auswirkungen seien jetzt spürbar: «In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde in Gossau zu wenig investiert: Nun haben wir einen Investitionsstau und müssen deswegen investitionsreiche Jahre stemmen», sagt SP-Fraktionschef Kobler. Die SVP hingegen betont, auch hier Wünschbares von Notwendigem zu trennen, sagt Fraktionschef Jau: «Den Gürtel enger schnallen zu müssen, bedeutet keinesfalls, auf Investitionen zu verzichten, sondern vielmehr künftige Ausgaben zu hinterfragen und Optimierungen in Abläufen und Prozessen anzustreben.»
Personalausgaben prüfen
Potenzielle Sparfaktoren könnten der Personalaufwand und die Entschädigungen für Dienstleistungen (Honorare) Dritter sein, sind sich Mitte und FDP einig. Allein die Honoraraufwände seien im Budget mit 1 Million Franken gelistet, kritisiert Ruth Lehner. «Wir sind zudem überzeugt, dass mit einer besseren Personalstrategie Einsparungen erzielt werden können», sagt FDP-Parteipräsident Frölich. Die FliG spricht sich ebenfalls für eine Prüfung der Personalkosten aus: «Ob es jedoch tatsächlich Einsparmöglichkeiten beim Personal gibt, können wir nicht beurteilen», so Sutter.
Sparen über Einnahmen oder in der Digitalisierung
Die SP schlägt vor, auch die Einnahmeseite für einen Ausgleich des Defizites zu betrachten: «Man könnte öffentliche Parkplätze konsequent bewirtschaften und das in einer Höhe, wie es in Städten üblich ist und für unsere Stadt ökonomisch Sinn macht», so Kobler. Ob dieser Ansatz in den anderen Parteien Zustimmung fände, bleibt fraglich. Erwin Sutter von der FliG sieht eine Möglichkeit zum Sparen in der digitalen Ausrüstung von Kindergärten und Primarschulen: «Neueste Studien zeigen auf, dass digitale Medien eher zur Verdummung der Schülerinnen und Schüler beitragen – und das will niemand. Wir müssen davon wegkommen, den Entwicklungsstand der Schule vom Mass der Digitalisierung abhängig zu machen.»
Ausgaben für Jubiläum nicht änderbar
Allgemein von keiner Partei vorgeschlagen, aber im Raum stehend, ist die Kürzung der über das ganze nächste Jahr verteilten Ausgaben von insgesamt 1.2 Millionen Franken für die 1200-Jahr-Feier der Stadt. Die Ausgaben für die Jubiläumsfeier seien jedoch ein gesprochener Kredit und gelten damit als gebunden, sagt Stadtpräsident Giella. Eine Streichung der geplanten Ausgaben fällt damit raus. «Viele Aktivitäten sind zudem schon am Laufen und das Engagement von verschiedenen Einwohnerinnen und Einwohnern ist gross.»
Steuererhöhung absehbar?
Um das städtische Defizit auszugleichen und die investitionsreichen Jahre zu überstehen, scheint eine Steuererhöhung naheliegend – die Frage scheint weniger das Ob, als das Wann genau. Das Budget 2024 lag mit einem gleichbleibenden Steuerfuss von 116 % vor. «Wenn sich 2025 die Prognosen immer noch bestätigen und alles Sparen nichts nützt, müssen wir über eine Erhöhung diskutieren», sagt Stadtpräsident Giella auf Nachfrage. «Mir war und ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger dies nicht nach, sondern schon vor den Kommunalwahlen zu hören bekommen.» Insbesondere für die FDP sei eine Steuererhöhung ein No-Go, sagt Parteipräsident Fröhlich. Bei anderen Sparmassnahmen hingegen sollten keine Tabus festgesetzt werden: «Es muss bei sämtlichen Kostentreibern überprüft werden, ob Sparpotential vorhanden ist – auch wenn es weh tut.»