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Kultur
02.04.2024

Vielleicht die letzte Versammlung des Vereins Stadtbibliothek

Von links: Andrea Richle (Leiterin Statdbibliothek), Werner Bischofberger (ehem. Vorstandspräsident, Ehrenmitglied), Regula Umbricht (Vorstand), Bruno Jenni (ehem. Vorstand, Ehrenmitglied), Herbert Weber (Vorstand), Stefan Rindlisbacher (Schulrat und Vorstand), Markus Brändle (neues Vorstandsmitglied). Bild: Vanessa Vogt
Die Stadtbibliothek Gossau hielt unlängst ihre jährliche Hauptversammlung ab. An dieser wurden nach 10 und 14 Jahren Vorstandstätigkeit Werner Bischofberger (Präsident) und Bruno Jenni verabschiedet. Diskutiert wurde vor allem die höhere Minusbudgetierung sowie die Inkorporation der Bibliothek in die Stadt Gossau, die die Auflösung des Vereins zur Folge hätte.

Der Verein Stadtbibliothek Gossau zählt rund 70 Mitglieder total. An der ordentlichen Hauptversammlung anwesend waren davon 30. Die Stimmung wirkt beim Betreten der Bibliotheksräumlichkeiten etwas angespannt: Dies mag an dem Rücktritt der beiden langjährigen Vorstandsmitglieder Bischofberger und Jenni liegen, die sehr geschätzt wurden. Oder aber auch – wie der Abend zeigte – an der aktuell in Verhandlung stehenden Inkorporation der Bibliothek in den Stadthaushalt.

Bibliothek ist kostengünstiger Leseförderer
Die Leiterin der Stadtbibliothek, Andrea Richle, gab den Anwesenden zunächst einen Einblick in das vergangene Vereinsjahr. Im vergangenen Jahr habe man 20‘000 CHF in neue Medien gemäss Nachfrage investieren können. Dies auf Grund einer Lockerung der Dienstleistungsvereinbarung mit der Stadt Gossau sowie einem Zugewinn an Geld wegen einer bisher nicht gezahlten Förderleistung. „Der Fokus beim Ausbau des Medienbestandes lag dabei auf den Altersklassen, für die wir die Medien brauchen“, so Richle. Das Angebot konnte so gezielt und zufriedenheitsfördernd weiterentwickelt werden.

Ausleihvolumen erfordert noch mehr Medien
Der aktuelle Medienbestand liege bei 27‘141 Medien, das seien 720 Medien mehr als im Vorjahr. „Rechnet man mit durchschnittlichen 30 Franken pro Medium, heisst das, es müssen jährlich rund 21‘000 CHF Umsatz generiert werden“, erklärt Richle. Im Vergleich zum Ausleihvolumen von rund 118‘000 Medien pro Jahr habe man jedoch immer noch ein zu kleines Angebot. „Ein Pluspunkt ist jedoch, dass wir im Vergleich zum Jahr 2022 über 4‘690 neue Exemplare aufnehmen konnten.“ Damit könne man bei den Kunden punkten.

Besucher- und Leserzahlen steigen
Die Bibliothek zählte im vergangenen Jahr 2‘708 aktive Leser/innen (+0,8 %), die Besucherzahlen stiegen um +4,8% auf 63‘581 Personen. Die Anzahl der Abos sei zwar im Vergleich um 52 % rückläufig, dies aber aus dem Grund, dass im 2022 das doppelte Volumen wegen der Ausgabe der städtischen Gratis-Abonnemente an Schüler/innen erzielt wurde. „Mit 626 Abschlüssen im vergangenen Jahr befinden wir uns also wieder auf Normalniveau.“

24-Stunden Betrieb in der „open library“
Ein bevorstehendes Projekt sei die „Open library“: „Die Ansprüche von Schulen steigen – Klassen haben den Wunsch mehr Zeit in der Bibliothek zu verbringen“, so Richle. Das gehe auf Kosten der anderen Besucher. Obwohl die Bibliothek bereits 33 Stunden pro Woche an 304 Tagen im Jahr geöffnet habe, seien die Öffnungszeiten nicht für die Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen passend. Abhilfe soll da das moderne Open library-Konzept schaffen: Der Eintritt in die Räumlichkeiten erfolgt mit Karten. Die Selbstleihstationen ermöglichen die Ausleihe. „Das alles erfolgt ohne Aufsicht. Andere Bibliotheken haben grossen Erfolg damit“, so Richle. Durch die Installation von Kameras beuge man dann Vandalismus und Missbrauch vor.

Stadt ist starker Partner
Die Finanzierung der Bibliothek erfolgt massgeblich durch Trägerbeiträge –von der Stadt Gossau , der Gemeinde Andwil und den Ortsbürgern. Zudem „schenkt“ die Stadt Gossau der Bibliothek die Miete von 140‘000 Franken. „Die Stadt unterstützt die Bibliothek in einem grossen Masse – natürlich auch, weil wir Schulbibliothek sind“, so Vorstandsmitglied Herbert Weber, der das Budget 2024 vorstellte. Dieses wurde mit einem Minus von 50‘000 Franken kalkuliert. Die Reserven bestreiten allerdings nur rund die Hälfte dieser Kosten, was die Mitglieder zunächst beunruhigte. Die Bedenken konnten jedoch zerschlagen werden: „Die Minusbudgetierung ist nicht kritisch: Sie ist das Preisschild für das grosse Angebot, die schöne Bibliothek sowie den Einsatz der engagierten Personen.“

Stadt-Inkorporation angestrebt
Insbesondere mit dem Ausblick auf die allfällige Inkorporation der Bibliothek in den Stadthaushalt, wäre das Thema sowieso vom Tisch. Diese Massnahme wurde insbesondere auf Grund der parlamentarischen Überprüfung der Ausgaben in den Verwaltungsstrukturen in Betracht gezogen. Auf Grund des SVP-Postulats „Verwaltungsstrukturen und Prozesse optimieren“ vom Juli 2023 werden die freiwilligen Beiträge der Stadt von einer VBK geprüft: Die Bibliothek ist eine dieser 90 zu prüfenden Positionen.

Synergien mit der Stadt nutzen
Um der Professionalisierung des Bibliothekbetriebs gerecht zu werden, wurde der Integrationsgedanke vom Vorstand aktiv vorangetrieben. „Die Strategie der Bibliothek ist zusammen mit dem Kanton erarbeitet worden, die Anforderungen bringen uns jedoch in eine schwierige finanzielle Lage“, so Stefan Rindlisbacher, Schulpräsident und Vorstandsmitglied des Vereins Stadtbibliothek. „Mit der Inkorporation könnten wir Synergien mit der Stadt nutzen, Doppelspurigkeit vermeiden und langfristig finanziell abgesichert handeln.“

Wohlwollendes Parlament
Die VBK habe den Umsetzungsauftrag bereits freigegeben, so dass die Inkorporation vorangetrieben werden könne. Die Mitglieder sehen die Inkorporation dennoch kritisch, denn diese bedeute die Vereinsauflösung sowie den Souveränitätsverlust: Die Ausgaben liefen künftig über das städtische Budget und würden vom Parlament mitbestimmt. „Die Stimmung im Parlament und der VBK gegenüber der Bibliothek ist jedoch positiv“, versichert Rindlisbacher den Mitgliedern. „Die Relevanz der Bibliothek ist unbestritten – niemand spielt mit dem Gedanken, die heutigen Leistungen einzuschränken.“ Sobald die Integration final aufgegleist sei, würde das Parlament über die Inkorporation und die Leistungen der Bibliothek entscheiden.

Offizielle Verabschiedung
Bereits Anfang Jahr gaben Werner Bischofberger als Vorstandspräsident nach über zehn und Bruno Jenni als Vorstandsmitglied nach über 14 Jahren ihren Rücktritt bekannt. An dieser HV wurden sie offiziell verabschiedet: “Das ist ein besonderer Moment für uns alle und ich bin dankbar für den Abschied in diesem würdigen Rahmen“, so Rindlisbacher.

Seele und Herz mit Mut zum Wandel
Jenni habe sich stets engagiert im Vorstand eingebracht und insbesondere beim Thema Fortschritt und Entwicklung mit unternehmerischem Weitblick Themen aufgenommen. „Du hast immer verstanden, dass die Bibliothek sich entwickeln und verändern muss, weil die Gesellschaft ebenso im Wandel steht.“ Jenni sei die Seele und Herz der Bibliothek und deren Gemeinschaft gewesen: „Du hast dem Zusammensein, der Freundschaften und dem Angebot immer Sorge getragen. Ich hoffe, du bleibst uns als Freund der Bibliothek erhalten – und trinkst hier auch weiterhin morgens noch deinen Kaffee beim Zeitung lesen.“

Professionell geführte Bibliothek
In seinem Jahrzehnt Präsidium habe auch Werner Bischofberger die grossen Veränderungen begleitet und dafür die Verantwortung als Präsident der Institution getragen: „Du hast den Wandel zur modernen, professionell geführten Bibliothek akribisch geplant und die Basis für die nachfolgende Bibliotheksarbeit gelegt“, sagt Rindlisbacher. „Du hast dafür gekämpft, dass die Bibliothek Teil des täglichen Lebens wird, ein Raum der Begegnungen – das hast du erreicht und dafür danken wir dir von Herzen.“ Rindlisbacher schlug die Ehrenmitgliedschaft für beide vor, die mit einem grossen Applaus der Anwesenden genehmigt wurde.

Neuer Delegierter der Ortsbürgergemeinde
Bischofberger und Jenni bedankten sich für die ehrenden Worte: „Insbesondere erwähnen möchte ich noch die wertvolle Arbeit von Vorstandsmitglied Marcel Egger, der aus gesundheitlichen Gründen ebenso zurücktreten musste“, so Bischofberger. An seine Stelle trat mit Markus Brändle ein neuer Delegierter der Ortsbürgergemeinde.

Letzte Worte und Märchen mit Musik
Mit dem Zitat ‚Herr meiner Tage, lass mich nicht zur Plage meiner nächsten werden‘ verabschiedete sich auch Jenni in einer emotionalen Rede von seinen Mitgliedern: „Mit 70 Jahren ist es ein guter Zeitpunkt zum Zurücktreten“, sagt er. „Heute ist die Bedeutung der Bibliothek unumstritten – was für eine Entwicklung! Ich blicke gerne zurück, weil ich weiss, was wir erreicht haben – und das erfüllt mich mit Dankbarkeit.“ Den Ausklang fand der Abend mit einem Apéro und anschliessender Darbietung einer Märchenlesung unter der musikalischen Begleitung einer Harfenspielerin.

Vanessa Vogt
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