Der Verkehrsfluss – oder eben halt der nicht-Fluss des Verkehrs in Gossau: Ein leidiges Thema, dass bereits unzählige Arbeitsstunden, Ideen und rauchende Köpfe hervorgebracht hat, nie aber eine Lösung. Das Zentrum ist überlastet, die Bevölkerung ist müde, dem ganzen Autostrom und stockendem Verkehr Tag für Tag zusehen zu müssen. Ein bisschen müde sind sicher auch die Verwaltungsmitarbeiter, das Parlament und die Politik nach so vielen gedanklichen Runden immer noch im Kreisverkehr zu fahren. Aber es hilft nichts: Lösungen werden nicht vom Abwarten gefunden. Stillstand ist hier viel mehr der bekanntliche Tod – denn eins steht fest: Vom Zuschauen wird der Verkehr nicht besser. Er wird anwachsen, schlimmer werden. Nicht zuletzt auf Grund des Bevölkerungswachstums und der Tatsache, dass zahlreiche Haushalte nicht nur ein, sondern gleich mehrere Autos besitzen. Deswegen kommt die Stadt Gossau mit einem neuen Vorschlag, der eine Verbesserung ohne Baustellen-Drama in Aussicht stellt.
Verkehrsmanagement im bestehenden Netz
Hat man die Jahre zuvor immer nach neuen Lösungen wie einer Umfahrung, der Umleitung des Verkehrs, Starssenausbau, Tunneln, Brücken (… die Liste ist lang) gesucht, setzt die Stadt nun auf ein Gesamtverkehrskonzept (GVK), dass das Verkehrsmanagement im bestehenden Netz als Grundlage nutzt. Das Ziel des GVK ist es, die Verkehrszunahme an motorisiertem Verkehr möglichst zu verhindern, in dem für den Fuss- und Veloverkehr sowie den ÖV attraktivere Bedingungen etabliert werden. Die prognostizierte Verkehrszunahme von 22'000 Bewegungen täglich (+17% zu heute) sollen mit der Umsetzung des Konzeptes rein über Velo, Fuss und ÖV kompensiert werden. Die Stadt schätzt dieses Ziel gemäss der Infobroschüre als realistisch und machbar ein.
Budgeteinplanung oder Kreditanträge
Der Entwurf des GVK befindet sich aktuell in der Vernehmlassung – die Bevölkerung ist zur Mitwirkung aufgerufen. Nach Abschluss des Mitwirkungsverfahrens wird es überarbeitet, vom Stadtrat beschlossen und vom Stadtparlament genehmigt. Später müssen für alle daraus abgeleiteten Massnahmen mittels Budget oder separater Parlamentsvorlage Kredite eingeholt werden, damit die Umsetzung tatsächlich möglich wird.
Prioritäten sind gesetzt
Die fünf Prioritäten im Konzept enthalten folgende konkreten Massnahmen: Der Verkehr im Zentrum soll durch bedarfsgesteuerte Ampeln flüssiger werden, ohne dass die Reisezeit sich verlängert. Zusätzlich soll es einen Velo-Ring geben, der Zentrum und umliegende Quartiere abdeckt und vekehrssicher befahrbar ist. Am Buskonzept arbeitet die Stadt bereist seit einigen Wochen intensiver: Die wesentlichen Stadtquartiere (wie u.a. auch das Niederdorf) sollen besser erschlossen und die Frequenzen auf den Hauptachsen erhöht werden.
Verantwortung bei neuer Fachperson
Damit das GVK solide und zielführend umgesetzt wird, will die Stadt zudem prioritär eine neue Fachstelle Mobilität errichten. Diese wird dann für die Umsetzung verantwortlich zeichnen und weitere Aufgaben im Bereich städtische Mobilität (z. B. Trendbeobachtungen, Unternehmensberatung etc.) übernehmen. Auch diese Fachstelle muss zunächst genehmigt und dann personell besetzt werden. Mit einer gezielten Mobilitätskampagne will die Stadt auf den Social-Media-Kanälen darüber hinaus die Bevölkerung für Verkehrsthemen sensibilisieren. Auch Sharing-Angebote für Autonutzung, Bikes und Scooters sind vorgesehen, die dann auf Social Media publiziert werden.
Entstehung, Erwartungen, Entwicklung
Im Interview mit Stadtpräsident Wolfgang Giella wollten wir mehr zum GVK und den Hintergründen erfahren. Wie der neue Ansatz zu Stande kam und was die Stadt sich davon verspricht:
Wolfgang Giella, wie kam es nach all den Jahren der Lösungssuche nun zum neuen, naheliegenden Ansatz des Verkehrsmanagements im bestehenden Netz?
Die Zweckmässigkeitsbeurteilung zur Zentrumsentlastung von 2017 hat gezeigt, dass zusätzliche Strassen das Gossauer Zentrum nicht wunschgemäss entlasten würden. Folglich muss Gossau den heutigen und den künftigen Verkehr auf dem bestehenden Strassennetz siedlungsverträglich bewältigen. 2019 ist der Auftrag für die Erarbeitung des Gesamtverkehrskonzeptes erteilt worden. Als Grundlage wurde die Mobilitätsstrategie erarbeitet. Diese wurde 2022 bei Fraktionen und Interesseverbänden (Echoraum) in Vernehmlassung gegeben und im Juli 2023 vom Parlament zur Kenntnis genommen und zur Weiterbearbeitung empfohlen. Jetzt liegt der Entwurf des GVK vor. Mobilitätsstrategie und GVK-Entwurf wurden von Fachleuten der Stadt und des Kantons erarbeitet, von den politischen Gremien beraten und von Stakeholdern vernehmlasst.
Woher kommt die Idee des Verkehrsmanagement im bestehenden Netz?
Er entstammt der bereits erarbeiteten Mobilitätsstrategie: Gemäss dieser muss der entwicklungsbedingte Mehrverkehr mit energie- und flächeneffizienten Verkehrsmitteln aufgenommen werden, damit der motorisierte Individualverkehr im heutigen Umfang funktioniert. Verkehrsmanagement ist eine Massnahme, die hierzu beiträgt.
Wie kam es zur Definition der Top 5 Massnahmen? Nach welchen Kriterien wurden diese identifiziert?
Die Top-5-Massnahmen wurden nach fachlichen Kriterien festgelegt. Es sind die Massnahmen, mit welchem mit geringstem Aufwand relativ bald Wirkung erzielt werden kann.
Wie viel Mitwirkung verspricht sich die Stadt im Verfahren?
Wir hoffen auf viele Mitwirkungsbeiträge - zustimmende und konstruktiv-kontroverse. Eine genaue Vorstellung haben wir da aber nicht im Kopf.
Gibt es ein Komitee mit Vertretern aus Gewerbe, Industrie und Parteien, dass sich regelmässig treffen wird und die Meinungen der Stakeholder gebündelt vertritt?
Es gibt keine ständige Begleitgruppe im beschriebenen Sinn. Im Echoraum zur Mobilitätsstrategie waren die Wirtschaftsverbände, Verkehrsorganisationen, Quartiervereine vertreten sowie die parlamentarische Begleitgruppe Planungsgeschäfte. Sie alle können sich auch in der laufenden Mitwirkung einbringen.
Es gab und gibt unzählige Meinungen bezüglich der Verkehrsentlastung und es wird sicher auch jetzt noch viele Mitredner geben. Wie managt die Stadt die Rückmeldungen, die eingehen und wer ist für deren Auswertung verantwortlich?
Die Mitwirkungsbeiträge werden von den gleichen Personen ausgewertet und bearbeitet, welche auch das GVK erarbeitet haben.
Wie ist der aktuelle Stand und wie sieht der weitere geplante Verlauf aus?
Bis 28. Juni läuft die Mitwirkung. Die weitere Terminplanung hängt wesentlich von Menge und Art der Mitwirkungsbeiträge ab. Auf Grund der Mitwirkungen wird das GVK überarbeitet, vom Stadtrat beschlossen und danach vom Stadtparlament genehmigt. Danach sind die Massnahmen zeitlich zu priorisieren, zu budgetieren und nach Krediterteilung umzusetzen.