Verletzungen erneut Hauptgrund für Aufnahme
Von den 774 Vögeln waren 710 Singvögel (91.7 %), 29 Greifvögel (3.8 %) und 35 Wasservögel (4.5 %). 413 Singvögel (58.2 %) wurden wegen einer Verletzung eingeliefert. Etwas mehr als ein Viertel von den Singvögeln hatte mindestens einen gebrochenen Knochen, zwei Drittel hatten teils schwere Weichteilverletzungen (grössere Wunden). Die Ursachen für viele dieser Verletzungen sind Angriffe durch Katzen, Hunde und andere Vögel (180 Tiere, 43.6 %) und Kollisionen mit Autos, Glasscheiben oder Gebäuden (139 Vögel, 33.7 %). Bei 22.8 % der Singvögel war die Ursache der Verletzung nicht ersichtlich oder nicht bekannt. 251 Tiere (35,4 %) waren verwaiste Jungvögel. Insgesamt waren 91 Singvögel (12.8 %) abgemagert, meist mit unbekannter Ursache. Parasiten spielten hier nur eine untergeordnete Rolle.
Beitrag für den Artenschutz
Im vergangenen Jahr wurden 62 verschiedene Vogelarten in der Wildvogelpflegestation St. Gallen gepflegt. Davon sind 12 Arten in der Schweiz potenziell gefährdet (Alpensegler, Grauschnäpper, Grünfink, Mauersegler, Mehlschwalbe, Neuntöter, Rauchschwalbe, Wendehals, Baumfalke, Turmfalke, Haubentaucher, Weissstorch), eine Art verletzlich (Waldschnepfe) und eine Art stark gefährdet (Lachmöwe). Zudem sind zehn Arten (Alpensegler, Mauersegler, Mehlschwalbe, Wacholderdrossel, Waldschnepfe, Wendehals, Rotmilan, Turmfalke, Lachmöwe, Weissstorch) als prioritäre Arten für die Artenförderung in der Schweiz gelistet. Das heisst, dass diese Arten Förderungsmassnahmen dringend nötig haben und die Schweiz international eine besondere Verantwortung für sie trägt (Programm «Artenförderung Vögel Schweiz» vom Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, der Schweizerischen Vogelwarte Sempach und dem Bundesamt für Umwelt BAFU).
Es gibt aber auch Arten, die nicht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der Schweiz aufgeführt sind, weil sie nicht als Brutvögel in der Schweiz gelistet sind. So zum Beispiel die zwei Bergfinken und der Waldrapp, die im letzten Jahr aufgenommen wurden. Der Bergfink, ein regelmässiger Durchzügler und häufiger Wintergast in der Schweiz, ist laut der Roten Liste der IUCN (Weltnaturschutzunion) zwar nicht gefährdet, aber im Bestand rückläufig. Der Waldrapp ist laut der Roten Liste stark gefährdet und ein sehr seltener Vogel in der Schweiz, der lediglich aufgrund von Wiederansiedlungsprojekten in Österreich und Süddeutschland vereinzelt wieder beobachtet wird. Von dort stammt auch das Paar, welches 2023 erstmals seit dem 16. Jahrhundert wieder in der Schweiz (Rümlang) gebrütet hat und der Vogel, welcher in der Wildvogelpflegestation versorgt wurde.
Bildung und Aufklärung für nachhaltigen Arten- und Naturschutz
Um nachhaltig auch etwas für den Erhalt des Lebensraumes der einheimischen Wildvögel zu unternehmen, ist es wichtig, dass die Bevölkerung mit persönlichen und telefonischen Beratungsgesprächen über Massnahmen und Gefahren aufgeklärt wird. Im Jahr 2023 wurden von den Mitarbeitenden der Wildvogelpflegestation 1’868 Telefonate geführt, mehr als die Hälfte davon (60,7 %) von Mai bis Juli. In 40,8 % der Fälle wurde am Ende des Gesprächs vereinbart, dass der Vogel in die Station gebracht werden soll. Bei 28,7 % der Beratungsgespräche wurden Fragen zur Versorgung verletzter Vögel vor Ort, zum Umgang mit Jungvögeln und zu Biologie und Verhaltensweisen der einheimischen Wildvögel beantwortet, aber auch Tipps zur Lebensraumgestaltung gegeben. Ein ausführlicher Flyer, der die häufigsten Fragen beantwortet und die wichtigsten Schutzmassnahmen erläutert, wird Interessierten abgegeben und steht auf www.walterzoo.ch/wildvogelpflegestation zum Download bereit.
Einblick in die Wildvogelpflegestation
Ab diesem Sommer können die Besucherinnen und Besucher des Naturmuseums St. Gallen im 3. Stock einen Blick durch ein Fenster in den Behandlungsraum der Wildvogelpflegestation werfen. Wenn es das Arbeitspensum zulässt, kann man den Vogelpflegenden zudem Fragen über ein Mikrofon stellen. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, einen Teil des Arbeitsalltages zu beobachten, da die Pflegestation zum Schutz der Patienten ansonsten nicht für Aussenstehende zugänglich ist.
Eine von vielen Erfolgsgeschichten
Der ideelle Lohn für die Mitarbeitenden ist der Moment, wenn die gepflegten Tiere ausgewildert werden, insbesondere wenn es sich um bedrohte Tiere handelt. Und da gibt es einige Erfolgsgeschichten: Ende Mai wurden an einem Tag fünf noch nackte Mönchsgrasmücken in die Pflegestation gebracht. Wenige Tage später kam noch eine gleichaltrige dazu. Mönchsgrasmücken wachsen schnell und müssen daher sehr oft am Tag gefüttert werden. Bereits nach 12 Tagen begannen sie zu flattern und ihre ersten Flugübungen zu absolvieren. Nachdem sie selbstständig anfingen zu fressen und das Fliegen erlernten, konnten alle sechs Mönchsgrasmücken wieder ausgewildert werden.
Spenden
Die Station wird durch die Stiftung Wildvogelpflegestation St. Gallen finanziert, die im Juni 2016 gegründet wurde. Damit der Betrieb der Station gewährleistet werden kann, ist die Stiftung auf Spenden angewiesen. Die Wildvogelpflegestation St. Gallen ist eine gemeinnützige Institution, die ihre Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung stellt. Nur dank grosszügigen Gönnerinnen und Gönnern ist dies möglich. Zuwendungen an die Stiftung können im Kanton St. Gallen von den Steuern abgezogen werden.