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Stadt Gossau
20.05.2024
20.05.2024 11:20 Uhr

Städtische Mobilität auf Kurs bringen

Rund 90 Personen kamen zum Infoabend. Stadtpräsident Wolfgang Giella führte in die Thematik ein. Bild: Vanessa Vogt
Vor Kurzem lud die Stadt zum Informationsanlass “Mobilität neu denken“ in den Fürstenlandsaal. Vorgestellt wurde das neue Gesamtverkehrskonzept, welches auf der in 2023 verabschiedeten Mobilitätsstrategie aufbaut und konkrete Massnahmen enthält. Rund 90 Personen kamen zum Anlass – einige Punkte wurden stark diskutiert.

Der Verkehr in Gossau ist ein leidiges Thema – polarisierend, nervenaufreibend und für Gesellschaft und Politik hoch relevant: Dies zeigt auch die relativ hohe Teilnahme am Informationsabend. Über Jahre in Diskussion mit immer wieder neuen Ansätzen setzt die Stadt nun auf das Verkehrsmanagement im bestehenden Netz. Dieser Grundsatz wurde in der im März 2023 vom Parlament zur weiteren Bearbeitung empfohlenen Mobilitätsstrategie festgelegt. Die Mobilitätsstrategie gab damit die Stossrichtung vor, in welche das neue Gesamtverkehrskonzept (GVK) ausgearbeitet werden sollte. Im GVK wurden nun konkrete Massnahmen definiert, die es ermöglichen sollen, die Mobilitätsbedürfnisse mit dem heutigen Strassennetz siedlungsverträglich zu bewältigen.

Grundlagen vorgegeben
Das 2016 verabschiedete Stadtentwicklungskonzept sowie das kantonale Raumplanungskonzept und der kantonale Richtplan bilden weitere Grundpfeiler des GVK. „Wir konnten also nicht auf der grünen Wiese starten“, gibt Stadtpräsident Wolfgang Giella am Informationsanlass zu bedenken. „Dennoch haben wir zielgerichtete, lösungsorientierte Massnahmepakete definieren können, die zu einer Verbesserung des Verkehrsmanagement führen sollen.“ Ausgearbeitet wurde das GVK gemeinsam mit den Planungsbüros Kontextplan (Gesamtprojektleitung GVK) und der asa AG (Teilprojektleitung öV).

Mehrverkehr mit Fuss, Velo und öV abfangen
Für eine stadtverträgliche und energieeffiziente Mobilität sei ein verändertes Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer unumgänglich. Das Ziel des GVK ist es, den motorisierten Individualverkehr (MIV) auf heutigem Niveau zu stabilisieren. Der zu erwartende Mehrverkehr (bis 2040: +17 % = 22‘000 Bewegungen täglich) soll von den energie- und flächeneffizienten Verkehrsträgern – also Fuss-, Velo-, Bus- und Bahnverkehr -aufgefangen werden.

Inhalte des GVK
Damit dies geschieht, wurden mehrere Teilkonzepte definiert: Abstimmung Siedlung und Verkehr, Fussverkehr, Veloverkehr, öV, MIV, Gesamtverkehr und Mobilitätsmanagement. Jeder dieser Metabereiche enthält ausgearbeitete Massnahmen, die nach und nach umgesetzt werden und so zu einer sukzessiven Erreichung des Gesamtziels führen sollen. Dafür grundlegend sieht die Stadt omnipräsente Verbesserungen im öV sowie Langsamverkehr im bestehenden Strassenraum.

Miteinander statt im Kampf
Bei der Ausarbeitung des GVK setzt die Stadt auf eine wirtschaftliche Orientierung und die partizipative Planung. „Wir müssen eine zukunftsfähige Verkehrsentwicklung anstreben, die auf die städtebauliche Entwicklung angepasst ist und von allen gemeinsam getragen wird“, sagt Giella. Es sei essenziell, die Massnahmen gemeinsam mit der Bevölkerung final zu definieren, um so die breite Unterstützung zu finden, denn die Umsetzung können nicht nur vom Schreibtisch aus geschehen: „Der Prozess wird bis zu 15 Jahre dauern – wir wollen keinen Kampf gegeneinander“, sagt Giella und spielt damit auf die Streitereien zwischen Fussgängern, Velo- und Autofahrern in Zürich an.

Interaktiver Postenlauf
Am Infoanlass wurde das Publikum in Gruppen aufgeteilt und durchlief fünf Posten, die je ein Teilkonzept behandelten. An den Posten erklärte eine Fachperson seitens Stadt oder der Planungsbüros die Massnahmen und stand für Fragen bereit. „Das Ziel des Postenlaufs ist, dass alle sich heute Abend ein gutes Bild machen und dann kritisch und konstruktiv am Mitwirkungsverfahren teilnehmen können“, sagt Giella. Innerhalb der Veranstaltung wurde man zudem aufgefordert mittels QR-Code an Kurzumfragen teilzunehmen.

Bild: Vanessa Vogt
Der Anlass war teilweise interaktiv gestaltet: Bei der ersten Abstimmung ging es um das Anreisemittel zum Fürstenlandsaal. Erfreulicherweise kamen nur 15 Personen mit dem Auto zum Anlass. Bild: Vanessa Vogt

Veloverkehr hat Potenzial
Beim Veloverkehr sieht die Stadt Ausbau- und Wachstumspotenzial – insbesondere auch im Zuge des E-Bike-Trends. „Es ist angedacht, das Veloweg-Netz auszubauen und zu optimieren“, erklärt Stefanie Ledergerber vom Planungsbüro Kontextplan. Darin würde zwischen den Wegkategorien „Direkt“ (schnellste Verbindung), „Komfort“ (sicher), „Nebenverbindungen“(Grundwegnetz) und „Übriges Netz“ unterschieden. Ein sicherer Veloring soll alle Quartiere verbinden und wichtige Zielorte wie Freizeitanlagen und Einkaufsmöglichkeiten abdecken. Auch der Ausbau von Abstellplätzen für Velos & Co. ist vorgesehen.

Fusswege ausbessern und ergänzen
Der Fussverkehr soll attraktivere Routen bekommen: So soll es eine Promenade geben, die in südliche Richtung verläuft und im Westen entlang des Bachlaufes durch den „Weg der Erholung“ ergänzt wird. Darüber hinaus sollen Begegnungszonen mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen werden. Die Fusswege, vor allem vom Bahnhof Richtung Winkeln, seien lückenhaft und unattraktiv: Diese sollen komplett erschlossen werden, um auch Arbeiternehmern im Industriegebiet den Weg zu Fuss sicher zu ermöglichen. „Das restliche Netz besteht soweit, muss aber hier und da optimiert und ausgebessert werden“, sagen die Verantwortlichen vom Palnungsbüro.

Einkaufsmöglichkeiten zentral halten
Raumplanerisch sei es sinnvoll, alle Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten möglichst im Zentrum zu behalten, um so den Fuss- und Velozugang zu ermöglichen. Diese vorgegebene Stossrichtung im GVK löst Fragen aus, soll doch das neue grosse Coop-Center im Eichen entstehen - Kritik aus den Bürgerreihen wird laut. Stefanie Ledergerber nahm dazu zaghaft Stellung: „Dies ist ein Thema, das mit der Stadt angeschaut werden muss. Raumplanerisch ist es jedoch sinnvoller, Einkaufsmöglichkeiten zentral zu halten, um so nicht noch mehr motorisierten Verkehr zu riskieren. Mehr kann ich dazu jedoch nicht sagen.“

ÖV-Veränderungen vorgezogen
Der politische Druck im öV etwas zu verändern, sei seit langem hoch, sagt Ledergerber. Deswegen habe die Stadt mit dem Buskonzept 2026 bereits vor dem GVK Handlungsmassnahmen eingeleitet. „Die Hauptkorridore für Busse sind zentral und müssen in einem kürzeren Takt und teilweise überschneidend befahren werden, um eine bessere Erreichbarkeit zu erzielen.“ Zudem sollen neu auch die westlichen Quartiere angefahren werden.

Routen und Takt verändern
Insbesondere die Routen und Takte der Linien 150, 151 und 159 sollen zeitnah angepasst werden: Der 150er würde dann im Viertelstundentakt (vorher halbstündig) vom Bahnhof über das Büelquartier ins Industriegebiet Eichen fahren. Der 151er soll inskünftig alle zehn Minuten via Mettendorf und Migros über den Bahnhof bis ins Langfeld fahren. „Dadurch werden die über 800 Arbeitsplätze in der Sommerau besser erschlossen“, sagt Giella. Auch die Weiterfahrt nach Arnegg und Andwil soll mit dieser Linie dann realisiert werden. Die Linie 159 würde verkürzt und nur noch vom Bahnhof via Mettendorf nach Andwil und wieder retour verkehren.

Parlament entscheidet demnächst
Über diese vorgezogenen Anpassungen der Buslinien wird das Parlament demnächst beraten. „Wir müssen die Buslinien zwei Jahre im Voraus bestellen. Das Parlament muss also jetzt schon darüber abstimmen“, erklärt Giella. Neu wird die Linie 151 sogar vier Bahnhöfe ansteuern: „Zwei Jahre lang wollten der Kanton und St.Gallen die Linie am Kybunpark umdrehen – dann hätten wir keine Direktverbindung in die Stadt mehr gehabt“, sagt Giella. Der Kompromiss wird sein, dass man auf dem Weg nach St.Gallen einen Stopp in Winkeln machen muss.“

Bild: Vanessa Vogt

Bevölkerung nicht erfreut
Die Veränderungen kommen nicht bei allen Bürgern gut an: „Die Linie 150 ist die ertragsreichste mit dem höchsten Grad der Eigenfinanzierung – und die will man jetzt anpassen?“, kommentiert ein Teilnehmer. Die Routenänderung bringen für manche Arbeiter Umstiege mit sich – auch das wird kritisiert. „Wir erhoffen uns durch die höhere Taktfrequenz und Überschneidungen eine insbesondere bei den Stauzeiten aber eine Entspannung“, erklärt Stadtpräsident Giella. Auch ein besserer Anschluss an den innerstädtischen Bereich sowie eine allgemein bessere Umstiegssituation für Passagiere, die Anschlüsse erreichen müssen, sollen dadurch erzielt werden.

Walter Zoo und Oberberg-Parkplatz bewirtschaften
Einhergehend mit diesen Veränderung soll auch das Stauaufkommen durch gezielte Massnahmen beim MIV verringert werden: Der Verkehr soll auf den Hauptachsen gebündelt und die Quartiere vor Durchgangsverkehr geschützt werden. Auch Tempo 30-Zonen sollen etabliert und LKW’s gebündelt im Westen über das ASGO-Areal und Winkeln umgeleitet werden. Zusätzlich sollen alle Parkplätze gebührenpflichtig sein und die Parksituation optimiert werden. „Der Kanton schlägt die Bewirtschaftung ab einer Minute vor – aktuell sind in Gossau noch 30 Minuten gratis“, erklärt der Leiter Tiefbau, Hans Peter Rothers. Zusätzliche bewirtschaftete Parkplätze am Walter Zoo und dem Schloss Oberberg werden ins Auge gefasst.

Neue Autobahnauffahrt und Westspange
Die Massnahmen des GVK sollen über die neue Fachstelle Mobilität koordiniert und zukunftsorientiert weiterentwickelt werden. Zudem sollen sie nicht alleinstehen: „Wir sind immer noch an den zusätzlichen Lösungen eines weiteren Autobahnanschlusses als Zubringer zum Appenzellerland sowie der Westspange zwischen Flawiler- und Wilerstrasse dran“, so Giella. „Dabei sollte es in der nächsten Zeit neue Informationen geben“, stellt er in Aussicht.

Mitwirkung gefragt

Sie haben eine Meinung zu konkreten Massnahmen oder wollen der Stadt eine allgemeine Rückmeldung zum Thema zukommen lassen? Zögern Sie nicht und nehmen Sie bis 28. Juni am Mitwirkungsverfahren teil.

mitwirken.stadtgossau.ch

Vanessa Vogt
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