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Stadt Gossau
19.06.2024

Der neue "Chef des Geldes"

Goran Gajic ist seit 1. Mai neuer Leiter Finanzen der Stadt Gossau. Bild: Stadt Gossau
Seit Mai ist Goran Gajic offiziell neuer Leiter Finanzen der Stadt Gossau – er tritt damit die Nachfolge von Heinz Loretini an. Seit Dezember arbeitete er schon an dessen Seite. Schonphase gab es für ihn jedoch keine: Mit der Budgetrückweisung und dem Geschäftsabschluss musste er von Anfang an selbstständig arbeiten.

Der 42-jährige Goran Gajic wohnt seit 2015 mit seiner Familie in Gossau – zuvor war er im Appenzellerland und St. Gallen beheimatet. Vor seinem Stellenantritt arbeitete er als Leiter Accounting & Controlling bei der Büchi Labortechnik AG in Flawil. „Dass ich bei der Stadt eine Stelle antrete, war mehr oder weniger Zufall“, sagt Gajic. Ein Personalvermittler habe ihn kontaktiert und die Stelle vorgeschlagen. „Da ich mich sehr für Politik interessiere und Gossau mein zu Hause ist, konnte ich mir eine Veränderung in diese Richtung gut vorstellen." Eine berufliche Veränderung habe er bereits zuvor schon in Erwägung gezogen: „Meine 10 Jahre bei Büchi waren super, aber eine neue Branche als Finänzler zu entdecken war reizvoll.“

GLP-FliG als Startstein

Erste politische Berührungen hatte Gajic nach dem Neuzuzug bereits mit der heutigen GLP-FLiG: Stadtparlamentarier Mathias Ebenter, der ebenfalls ein Kollege bei Büchi war, motivierte ihn zum Einstieg in die Gossauer Politik. Er fungiert seither entsprechend seiner Kompetenzen als Revisor bei der Partei und kandierte in der Vergangenheit auch schon für deren Liste. „Dass ich jetzt an der direkten Quelle sitze, was politische Veränderungen betrifft, finde ich sehr spannend.“ Als Finänzler sei er zwar kein direkter Politiker, aber dennoch bei Entscheidungen involviert. 

Zahlen bleiben Zahlen

Bei der Ausübung seines Amtes habe er etwas weniger Gestaltungsspielraum und wesentlich mehr Formalitäten als zuvor in der freien Marktwirtschaft. „Aber im Grund sind Zahlen Zahlen – egal in welchem Unternehmen man budgetiert: Es müssen Kosten optimiert und Einnahmen generiert werden.“ Dennoch unterscheide sich auch die Art und Weise, wie man die Finanzen bei der Stadt leitet, von seiner vorherigen Stelle.

Keine Internationalität – mehr Struktur

Ein grosser Unterschied sei die internationale Ausrichtung: „Büchi hat 800 Mitarbeiter sowie Kunden weltweit und fährt eine dementsprechende Wachstumsstrategie. Bei der Stadt arbeiten wir in einem viel engeren Rahmen in der Region und kantonal.“ Das alles bedinge eine grössere Involvierung in allen Entscheiden: „Hier läuft vieles sehr strukturiert ab – an die ganzen Verfahren und Prozesse musste ich mich erst gewöhnen, hatte ich in der freien Wirtschaft doch oftmals einen grösseren Spielraum.“ Insbesondere die Konsensfindung und der Austausch mit allen Stakeholdern bei Entscheidungen sei oftmals zeitaufwendiger und herausfordernder als bei Büchi. „Und am Ende ist der Finänzler sowohl in der Politik als auch in der freien Wirtschaft irgendwie der Buhmann“, sagt Gajic und lacht.

"Budgetbombe" sprengt Einarbeitungsplan

Kein Buhmann war Gajic jedoch bei seiner ersten Amtshandlung: Da Loretini auf Grund der Budgetrückweisung Ende 2023 stark in die Nachbearbeitung eingebunden war, musste der neue Finanzleiter sich schnell und selbstständig in den Jahresabschluss der Stadt hineinfuchsen. „Am Ende war der gesamte Einarbeitungsplan über den Haufen geworfen – ich musste einfach machen“, sagt Gajic. Dadurch habe er sich unmittelbar „hands on“ mit dem Eingemachten beschäftigt, die Programme und Prozesse im Machen kennengelernt. Loretini habe immer für Fragen und als Coach zur Verfügung gestanden. „Natürlich war er auf Grund der Budgetgeschichte stark beansprucht – aber gerade das hat mir Vorteile gebracht und ich musste und wollte mich selbst zurechtfinden.“

Grenzen austesten und verbessern

Gajic bezeichnet sich als Macher: „Ich arbeite lieber erst Mal selbstständig und gehe zügig voran – danach kann man immer noch ausbessern und optimieren“, findet er. „Ich bin wie ein Kind, das seine Grenzen erstmal austestet und einfach loslegt“, sagt er und lacht. Dabei sei er immer noch mitten im Prozess: Er müsse auch nach 6 Monaten hier und da noch nachschauen und merke, dass er irgendwo an eine Wand stösst: „Aber das gehört alles zu einer gesunden Fehlerkultur und zum Lernprozess dazu. Dann muss ich einfach einen anderen Weg gehen - und komme dennoch zum Ziel.“

Grosse Unterstützung

Besonders gut unterstützt fühlt er sich dabei vom Verwaltungsteam und den Departmentsleitern. „Mir stehen alle immer mit Rat und Tat zur Seite – man entscheidet gemeinsam, hat seine Experten – jeder trägt etwas zum Entschluss bei.“ Am Ende entscheide der Stadtrat und das Parlament: „Aber wir im Kader müssen ebenso dahinterstehen können.“ In vergangenen Jobs habe er oft allein entschieden: „Das war für einen schnellen Entschluss sowohl nötig als auch gewünscht.“ Heute arbeitet er anders. Aber auch diese Arbeitsweise erfülle ihn mit Freude: „Ich habe mir den Tapetenwechsel bewusst gewünscht. Ich finde es spannend und bereichernd jetzt so zu arbeiten.“

Optimierungen festgestellt

Seit seinem Stellenantritt hat Gajic schon einige Optimierungen im Finanzamt angestossen: So u. a. die Neustrukturierung des Teams mit Positionswechseln und einer Fixanstellung, die Vereinfachung des internen Budgetprozesses, die Bereinigung von Altlasten aus der Systemumstellung vor zwei Jahren und weitere Massnahmen, die in den kommenden Jahren umgesetzt, aber noch nicht öffentlich sind. „Ich will zunächst einmal die ‚low hanging fruits‘ abarbeiten – da sind wir auch noch dran. Aber in den nächsten drei bis fünf Jahren stehen weitere, jetzt schon sichtbare Verbesserungen, auf meiner Aufgabenliste“, sagt er.

Seit April ist Heinz Loretini nach 25 Jahren als Leiter Finanzen in Rente.

Loretini offiziell in Rente

Seit April ist Gajics Vorgänger Heinz Loretini nach 25 Jahren tasächlich im Ruhestand: Bis dahin hat er den jungen Nachfolger umfassend und unterstützt und sein Amt übergeben. Dabei fand Gajic vorteilhaft, dass Loretini ihm stets freie Hand gelassen hat: Er habe ihn bei Fragen kontaktieren, sich aber zunächst sein eigenes Bild machen können. Zudem habe Loretini ihm nie eine Meinung oder Herangehensweise vorgegeben, auch wenn er über so lange Zeit dabei war. „Er wollte, dass ich die Dinge so angehe, wie ich es möchte. Dass ich meinen eigenen Weg finde – auch wenn das manchmal etwas länger gedauert hat.“

(Zu) Grosse Fussstapfen?

In 25 Jahren hat Loretini das Finanzpflaster enorm geprägt – er kannte den Stadthaushalt wie kein zweiter. Diese Tatsache könnte einen Nachfolger nervös machen. Nicht aber Gajic: „Mir ist bewusst, dass ich in grosse Fussstapfen trete. Aber mit 20 Jahren Berufserfahrung habe auch ich einen guten Rucksack“, sagt er. Auch er habe seine Stelle bei Büchi nach 10 Jahren einem Nachfolger überlassen. „Und ich bin mir sicher, er wird das gut machen!“ Gajic wolle und müsse Loretini nicht ersetzen: „Ich bin ich und versuche meinen Weg zu gehen – dabei ist es auch nicht notwendig, dass ich Heinz Loretini kopiere.“ So sei jeder Mensch verschieden und habe seine Qualitäten. Am Ende sei das Ziel das Einzige, was die Personen in einer Position vereint: Ein ausgeglichener städtischer Haushalt und stabile Finanzen für die nächsten Jahre. Das wünschen wir uns wohl alle.

Investitionsrückstau und nationale Herausforderungen

Doch Gossau wird in den kommenden Jahren vor grossen Investitionen stehen – der Investitionsrückstau wird uns einholen. Zudem bergen auch nationale Entwicklungen Herausforderungen, sagt Gajic: Steigende Kosten in der Pflege und höhere Kosten im Asylbereich werden uns verfolgen.“ Gegen diese Kosten gäbe es kein Wundermittel. Der Trost: Gossau kommt nicht als einzige Stadt mit negativen Resultaten daher. „Aber wie unser Stadtpräsident bereits sagte: Wir müssen Prioritäten setzen. Meine Aufgabe wird sein, gemeinsam mit den Amtsleitern zu identifizieren, wie wir aus den bestehenden Kosten noch etwas rausholen, was wir optimieren.“ Bei allen Kosten dürfe man aber auch nie die Augen vor den Erfolgen verschliessen: „Gossau hat gute Projekte für eine bessere Zukunft lanciert: Wir haben moderne neue Schulhäuser, den Kindergarten Haldenbüel, bald eine neue Sportwelt und vieles mehr. Die finanzielle Situation ist heute so, weil man in der Vergangenheit schon gute Arbeit in puncto Stadtentwicklung geleistet hat.“

Vanessa Vogt
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