Kürzlich haben wir eine Einladung zu einem Geburtstagsfest erhalten. Der Jubilar hat gemäss Einladung mit der grossen Kelle angerichtet. Da allgemein bekannt war, dass er finanziell nicht so rosig gebettet ist, kamen die ersten Zweifel auf. Trotz des unguten Gefühls gingen wir dann an die Geburtstagparty. Sämtliche Konsumationen an der Party mussten wir bezahlen. Dies war für uns in Ordnung, da wir ein sehr schönes Rahmenprogramm mit bekannten und etwas weniger bekannten Künstlern bekamen. Wir sagten uns, die haben sicherlich auch etwas gekostet. Im Nachgang zur Party haben alle geladenen Gäste, ob sie an der Party teilgenommen haben oder nicht, eine Rechnung über CHF 60 pro Person erhalten. Wie geht man mit so einer Rechnung bzw. einem solchen Freund um? Wahrscheinlich würden fast alle, die Rechnung in den Abfalleimer werfen und die Freundschaft auflösen.
Sie sind der Meinung, dass dies ein gar fiktives Beispiel ist? So etwas kommt in der realen Welt nicht vor? Aber genau dies praktiziert die Stadt Gossau mit der 1200 Jahr Feier 2024. Die Verwaltung und Politiker richten ein Fest aus, dass jeden Einwohner vom Säugling bis zu Greis, ob er wollte oder nicht, im Durchschnitt mehr als CHF 60 kostet oder CHF 240 für eine vierköpfige Familie. Kosten, die uns via Steuerrechnung belastet werden. Dies in einem Jahr, wo über Kosteneinsparungen diskutiert wird und bei den Schwächsten unserer Gesellschaft, den Kindern, gespart wird. Das Parlament diskutiert über die Reduktion oder Abschaffung von Klassen-/Skilagern. Aber gefeiert werden darf. In Kassenlagern sehen wir keine Politiker, die sich in der Menschenmenge sonnen und sich für den nächsten Wahlkampf zeigen. Sie zeigen sich jedoch gern an Aperos, die von anonymen Steuerzahlern finanziert werden. Es wird Zeit, dass die Politiker und Angestellten der Verwaltung unabhängig von der politischen Couleur die Verantwortung für das fremde Geld übernehmen. Dazu braucht es nicht nur Einsicht, sondern vor auch Weitsicht. Kosten entstehen lange bevor diese in der Buchhaltung ankommen. Wir werden leider in den kommenden Jahren immer wieder hören, diese Kosten können wir nicht sparen, die Entscheidungen der Vorjahre können nicht korrigiert werden. Aber genau dazu braucht es Mut, seine eigenen Entscheidungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu korrigieren. Dies hat die Gossauer Politik beim Jubiläumsfest verpasst.
Wendelin Studer, Gossau