Nach der Hochzeit ist man immer schlauer, heisst es in einer Redensart. So sicherlich auch im Nachgang zur 1200-Jahr-Feier. Gossau24 wollte es genau wissen. Deswegen haben wir uns umgehört – und rundgefragt. Live und digital über eine Online-Umfrage. Die Ergebnisse haben wir hier für Sie zusammengetragen. In einer standardisierten Umfrage mit offenen Fragen und Bewertungsskalen fragten wir die Bevölkerung nach Ihrer Meinung zum 1200-Jahr-Fest. Insgesamt nahmen 85 Personen an der Umfrage teil. Ebenso wurden zufällig gewählte Personen aus der Bevölkerung zu ihrem Erlebnis befragt. Die Ergebnisse:
Grosse Zufriedenheit trotz Kritik
85 % der Befragten gaben an, mit dem Festwochenende sehr zufrieden bis zufrieden zu sein. Lediglich 15 % zeigten sich unzufrieden bis sehr unzufrieden. Trotz einiger Kritikpunkte, die im Nachfolgenden aufgezeigt werden, gaben 60 % an, dass ihre Erwartungen ans Fest vollständig erfüllt wurden. „Solch ein Fest sollte öfters stattfinden“, schreiben und sagen gleich mehrere Teilnehmer. Am Jubiläumsfest seien jedoch einige Optimierungspunkte aufgefallen: An einem nächsten Fest könne man diese verbessern. Doch wären die Bürgerinnen und Bürger dann auch bereit wieder über eine halbe Million an Steuergeldern dafür auszugeben? Gerade in punc/to Spar-Budget, im Angesicht der neuen Sportwelt und den aufgeschobenen Investitionen, wird dies wohl Wunschmusik bleiben. Zudem war auch das Jubiläumsfest nicht so golden, wie es scheint.
Schlecht informiert, vor allem vor Ort
Insbesondere die Kommunikation vor und während des Events zu Spielzeiten und Angeboten wurde von rund 30 % der Teilnehmenden kritisiert. Man habe teilweise Musikbeiträge verpasst, weil nicht klar war, wann etwas geplant war. Ebenso habe man vergebens nach Informationen auf dem Gelände gesucht. Bei der Organisation des Festes vorab sei der Kontakt zu den agenturinternen Stellen zudem sehr harzig gewesen: „Eine Antwort zu bekommen, hat manchmal Wochen gedauert und man hat mehrfach nachhaken müssen“, heisst es von mehreren Projekteingebern oder Vorbereitungsteilnehmern in der offenen Befragung. Dies führte zu Unmut bei freiwillig engagierten Bürgerinnen und Bürgern.
Engagiert genug?
Auffällig dahingehend war auch, dass selbst engagierte Bürger, die zum Beispiel Stadtführungen machten oder aber andere Angebote organisierten bei den Feierlichkeiten keine Konsumationsgutscheine erhielten. Die Sponsoren wiederum erhielten je nach Sponsoren-Status Wert-Bons, teilweise im Wert von mehreren hundert Franken. Manche Vereine wiederum erhielten Gutscheine für Wurst und Brot oder Getränke. „Ich frage mich, ab wann man engagiert genug war, um einen Wert-Bon zu erhalten“, fragte einer der Umfrageteilnehmenden. „Es wäre schön gewesen, wenn man etwas zurückbekommen hätte für seinen Einsatz.“
Ein Fest der Zweiklassen-Gesellschaft?
Stark in Kritik geriet vor allem die Eröffnungsfeier: Durch die geschlossene Gesellschaft im Festzelt auf der Bundwiese habe es am Freitagabend bis circa 21 Uhr und damit während des Konzerts von Remo Forrer keine Sitzplätze für nicht geladene Gäste gegeben. Mehrere Teilnehmer kritisierten eine Art „Zweiklassen-Gesellschaft“, die so vom Gefühl her entstanden sei. Ebenso habe es für das leibliche Wohl neben dem Angebot im Pavillon zu wenige Stände gegeben, auf die die „ausgeschlossene Bevölkerung“ habe zurückgreifen können. „Das hat die Gesellschaft gespalten und den Eindruck einer Zwei-Klassengesellschaft entstehen lassen“, schreibt ein Teilnehmer dazu konkret. „Man hätte die geschlossene Feier im Fürstenlandsaal belassen sollen – dann wäre es ein Fest für ganz Gossau geblieben. An jedem Tag.“
Zu wenig Sitzplätze allgemein
Die Sitzgelegenheiten allgemein wurden in der offenen Fragerunde zu Verbesserungsvorschlägen ebenfalls thematisiert: Es seien allgemein zu wenig Sitzplätze geboten worden. Insbesondere auch für die älteren Gäste sei das nicht ideal gewesen. Das gesellige Beisammensein und -sitzen sei so abhandengekommen – ein richtiger „Treffpunkt“ für Gossau habe gefehlt. Generell seien die Feierlichkeiten zudem eher auf jüngere Bürgerinnen und Bürger sowie Familien ausgerichtet gewesen. Für die älteren Generationen habe es kein konkretes Angebot gegeben.
Bierbingo und überzogene Preise
Die Preise waren bei 30 % der Befragten Thema. Diese seien überdurchschnittlich hoch gewesen. Durch die hohen Kreditausgaben für das Fest hatte sich der ein oder andere zumindest ein günstigeres Angebot an den 1200-Jahr-Festständen gewünscht „oder auch mal etwas gratis für die Bevölkerung.“ Besonders auffällig sei das „Preisbingo“ vom Freitagabend gewesen: So habe man sich über die 7 Franken für das Bier beschwert. Wenig später sei der Preis auf 6 Franken gesunken – alle Stände hätten den neuen Preis dann mit Stift an die Preistafeln geschrieben. Das führte zu Reklamationen an den Ständen: Einige der Käufer von Bieren für 7 Franken wollten kurzerhand einen Franken zurückhaben. „Das Personal war überfordert, die gesamte Situation wirkte unprofessionell“, schreibt ein Teilnehmer.
Kritisierter Musikmix und „normales Fest ohne Bezug zur Geschichte“
Musikalisch hätte sich die Bevölkerung zudem eine bessere Kommunikation der Zeiten über Lautsprecher, anhand von Displays / Tafeln oder im Flyer gewünscht. Zudem haben 10% der Teilnehmenden Volksmusik und Schlagerdarbietungen vermisst. Einige der Bandauftritte seien insbesondere am Nachmittag zu tragend und schwer gewesen – auch da kam bei 5 % der Befragten der Wunsch nach einer besseren Vorabkontrolle der Playlisten auf. Auffällig sei auch, die Abwesenheit von der Historie Gossau gewesen: „Dieses Fest hätte so jedes Jahr stattfinden können. Das Thema 1200 Jahre Gossau war völlig aussen vor“, schreibt ein Proband konkret und war mit dieser Meinung nicht allein (15 %).
Müllberge als Aushängeschild?
Am Fest selbst seien zu wenig Entsorgungsmöglichkeiten oder Wegweiser zu Entsorgungsstellen geboten worden (35 %). Der Müll am Abend häufte sich auf Tischen und an Randplätzen – dies fand keine Freude bei den Bürgern. Insbesondere vor der Markthalle habe es zu wenig Kübel oder Abfallsäcke gegeben: „Als wir ins Zelt kamen, lagen überall Abfälle auf den Tischen, man wusste gar nicht wo man sich hinsetzen soll“, sagte ein Teilnehmer. „Als wir fertig mit Essen waren, haben wir vergebens nach Kübeln gesucht – die städtischen quollen schon über“, schrieb ein anderer. Auch auf den Mauern rund um den Dorfbach habe sich der Abfall zeitweise getürmt.
Sauberzauber und zweierlei Mass
„Kein schöner Anblick und kein Aushängeschild für Gossau“, heisst es. Professionelle Festorganisation sähe anders aus. Gut funktioniert hat jedoch die städtische Reinigung über Nacht: Dem Personal gilt ein grosser Dank. Innerhalb weniger Nachtstunden war der gesamte Festbetrieb wieder rein und auf Vordermann für den nächsten Tag – auch die Spuren der Nacht waren beseitigt. Gefeiert werden durfte übrigens am Geburtstagswochenende ausnahmsweise bis 3 Uhr nachts. Bei nicht städtischen Anlässen ist um 2 Uhr Feierabend. Diese Tatsache erfreute einige der Bürgerinnen und Bürger – jedoch sollte die Stadt sich überlegen, ob es unter dem Blickwinkel der Gleichberechtigung sinnvoll ist hier mit zweierlei Mass messen.
Highlights bleiben
Für 95 % der Befragten steht fest, dass sich der Besuch am Fest aber in jedem Fall gelohnt hat – 75 % würden es auf jeden Fall wieder besuchen. Insbesondere die Begegnungen mit vielen Freunden, Bekannten und Gossauern (80 %), die Food-Meile aus aller Welt (70%) und das Konzert von Remo Forrer (40 %) fanden bei den meisten grossen Anklang. 50 % der Befragten lobten zudem insgesamt das Gelände und das Angebot auf dem Fest. Und nun die grosse Frage: Haben sich die Ausgaben gelohnt? Dies ist wohl Ansichtssache und jeder muss für sich entscheiden, wie hart die Kritikpunkte für ihn ins Gewicht fallen. Eins steht jedoch fest, mitreden kann nur, wer auf der Feier war. Zahlen hingegen müssen alle.