Heinz Loretini, wer sind Sie?
"Ich bin ein sozial und politisch interessierter Bürger. Seit über 20 Jahren lebe ich in Gossau. Ich arbeite und arbeitete in vielen Organisationen mit. Nach mehrjähriger Erfahrung in der Schweizerischen Bankgesellschaft und der Schokoladenfabrik Maestrani habe ich 23 Jahre lang Leitungsfunktionen im Finanzamt der Stadt Gossau inne gehabt."
Was motiviert Sie, sich nach der erfolgreichen Karriere in der Finanzverwaltung der Stadt als Stadtparlamentarier zu engagieren?
"Als Kadermitglied der Stadtverwaltung hatte ich mich aus der Politik herauszuhalten. Meine Aufgabe war es, für die politischen Behörden Grundlagen zu erarbeiten, damit sie gute Entscheide fällen konnten. Als Parlamentarier geht es mir darum, die Gesellschaft weiterzubringen, Vorschläge zu machen und die Anliegen der Bevölkerung weiterzutragen. In Gossau sollen sich die Einwohner wohl fühlen und das Gefühl erhalten, in einer lebenswerten Stadt zu wohnen. Kurz: Ich habe grosse Lust, gesellschaftlich in Gossau mitzuarbeiten."
Was haben Sie sonst noch im Rucksack?
"Ich bringe langjährige Erfahrungen im sozialen Bereich mit. Als Präsident der Gemeinnützigen und Hilfsgesellschaft (GHG) geht es mir darum, dass die Gesellschaft sich für diejenigen Menschen einsetzt, die unserer Hilfe bedürfen. Ich habe dank meiner ausserberuflichen Tätigkeiten - wie beispielsweise Spitex, Handball Fortitudo, Fussballclub Gossau und Evangelische Kirche - Einsicht in die Gesellschaft mit all ihren schönen, aber auch schwierigen Momenten."
Gibt es konkrete Themen, die Sie anpacken bzw. die Sie neu aufs Tapet bringen möchten?
"Wir müssen als Stadt Gossau wissen, dass neue Aufgaben immer mit Kosten verbunden sind. Neue Aufgaben sind nicht per se schlecht. Oftmals können sie auch Sinn machen. Als Beispiel nenne ich hier die 'frühe Förderung'. Kinder im Vorschulalter sollen so gefördert werden, dass sie in der Volksschulzeit reüssieren können und ihnen dadurch ein guter Start ins Leben ermöglicht wird. Als Parlamentarier möchte ich mich dafür einsetzen, dass die aufgebauten Instrumente noch besser genutzt werden. So stellt der IAFP (Integrierter Aufgaben- und Finanzplan) ein riesiges Potential zur Diskussion, welche Aufgaben eine Stadtverwaltung zu führen hat und zu welchem Preis. Jede Aufgabe darf hinterfragt werden. Auch wenn eine Aufgabe notwendig ist, darf man die Art und Weise der Ausführung diskutieren."
Gibt es noch mehr ungenutzte Werkzeuge?
"Ja, ein weiteres Instrument, welches noch nicht bekannt ist und deshalb auch noch nicht genutzt wird, ist der Benchmark. Das heisst, wir müssen uns in der Erledigung von Aufgaben auch mit anderen Gemeinden und Städten vergleichen. Nur so können wir uns verbessern. Zudem sollte der Geschäftsbericht nicht als 'gehabtes Vergnügen' abgetan werden. Wenn definierte Ziele nicht erreicht werden, müssen Massnahmen daraus abgeleitet werden. Man kann immer wieder etwas lernen, wenn man sich und seine Arbeit reflektiert. Dies gilt auch für Stadtrat, Verwaltung und Parlament."
Potential auch bei der Arbeit des Parlaments?
"Das Parlament soll sich nicht im Kleinen verlieren, sondern seiner Aufgabe als Strategie gebende Institution nachkommen. Es darf ruhig mehr und tiefer, aber auch kontroverser diskutiert werden."
Welches sind - aus finanzieller Sicht - die grössten Herausforderungen für die Stadt Gossau?
"Die grösste Herausforderung stellt das stetige Wachstum des 'Transferaufwandes' dar. Transferaufwendungen sind Gelder, welche die Stadt Gossau aufzuwenden hat, ohne dass sie diese direkt steuern kann. Transferaufwendungen sind nicht etwas Schlechtes an sich. So sind die Beträge an die Pflegeaufwendungen unserer Bürger in den Pflegeheimen sinnvoll und garantieren eine 'gute Pflege'. Beiträge an die Sonderschulen sind sinnvoll, denn so können wir unsere Kinder langfristig in die Gesellschaft integrieren. Aber Achtung: Die Transferaufwendungen sind von 2018 bis ins Budgetjahr 2024 um 14 Steuerprozente gestiegen. Dieser Anstieg konnte dank Steuereinnahmen und einem engen Kostenkorsett abgefangen werden. Dies wird in Zukunft immer schwieriger werden."
Sie schreiben auf dem Wahlplakat "für liberale Lösungen". Was verstehen Sie darunter?
"Wir dürfen als Gesellschaft dem Staat nicht stets neue Aufgaben zur Erledigung auf- und abgeben. Die wachsende Anspruchshaltung, alles der Allgemeinheit aufzubürden, halte ich nicht für den richtigen Weg. Im Gegenzug dürfte man dem Bürger wieder mehr Freiheiten geben. Wir regulieren unser Leben bis ins kleinste Detail. Das ist schädlich. Die Gesellschaft muss bereit sein, Aufgaben ohne Staatseinfluss wieder selbst erledigen. Den Beweis erbringe ich mit der Führung der GHG. Wir führen diverse Institutionen u.a., zwei private Sonderschulen. Zwanzig Prozent der Investitionen haben wir selbst aufzubringen. Fazit: Der Staat sollte sich wieder etwas zurücknehmen, dafür ist jedoch auch jeder Einzelne gefordert mitzuarbeiten."
Zurück zu den Finanzen: Wie wird sich der Gossauer Steuerfuss in den nächsten Jahren entwickeln?
"Die Höhe des Steuerfuss hängt in erster Linie von der Steuerkraft ab. Eine hohe Steuerkraft, sprich hohe Steuereinnahmen aus Einkommenssteuern, Firmensteuern und Quellensteuern, ist ein Faktor. Ausgaben für Konsum und für Investitionen sind der andere Teil. Der Steuerfuss ist nur ein Faktor für eine lebenswerte Stadt. Insgesamt sind es fünf Kennzahlen, die ihn beeinflussen. Dies sind die Kinderbetreuung, Krankenkassenprämien, Pendlerkosten, Mietsitutation und die Steuern. Die Entwicklung des Steuerfusses hängt von uns allen ab. Wie hoch sind unsere Anforderungen? Welche Aufgaben soll die Stadt in Zukunft abgeben oder neu übernehmen? Der Steuerfuss ist nur das Resultat unserer Anspruchshaltung."
Warum sollen Sie die Gossauerinnen und Gossauer wählen?
"Ich bin ein liberal denkender Mensch, der sich für die Anliegen der Gesellschaft seit Jahren einsetzt. Ich möchte mein Wissen in Gesellschaftspolitik und Finanzen zum Wohle der Stadt Gossau einsetzen."
Ein Schlusswort?
"Dem Parlament muss es gelingen, das Vertrauen der Bürger zu erhalten. Das Parlament muss sich seiner Rolle bewusst sein: Es gibt Stadtrat und Verwaltung die Strategie vor. Mit dem Budget und den dazu gehörenden Aufgaben verabschiedet es die Leistungsziele und gibt das dazu notwendige Geld. Mit der Abnahme des Geschäftsberichtes kontrolliert das Parlament die Arbeit von Stadtrat und Verwaltung. Das Parlament soll auch Vorschläge machen, jedoch stets auf der notwendigen Flughöhe."