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Stadt Gossau
26.08.2024
26.08.2024 15:05 Uhr

„Vor allem im Baubereich kann man es nicht immer allen recht machen“

Bild: pd
Ein Jahr ist Florin Scherrer nun Stadtrat und Vorsteher des Departements Bau Umwelt Verkehr. Welche Herausforderungen dem 36-jährigen im ersten Jahr begegneten, wie er Kritikern begegnet und wie sein grösstes Projekt „Sportwelt Gossau“ voranschreitet, klärt Gossau24 im Interview.

Florin Scherrer, das erste Jahr als Stadtrat ist vorüber. Wurden Ihre Erwartungen ans Amt erfüllt?

Durch meine langjährige Verwaltungstätigkeit, mein vorheriges GPK-Präsidium und sieben Jahre Erfahrungen im Parlament habe ich eine gewisse Vorstellung vom Amt gehabt – und diese ist grossenteils so eingetroffen. Tatsächlich finde ich den Job aber noch spannender und abwechslungsreicher als erwartet. Überraschungen gab es auch: Ich musste noch nie so viele Unterschriften geben, wie im vergangenen Jahr. Ich glaube, ich muss mir eine kürzere Signatur zulegen, bei den ganzen Bewilligungen, die über meinen Tisch als Präsident der Baukommission gehen (lacht).

Heisst das bei allem Spass auch, dass Sie die zahlreichen Prozesse und Vorschriften, auch überrascht haben?

Nein, da ich schon im Kantonalen Baudepartement gearbeitet habe, waren mir die Wege und Prozesse durchaus bewusst. Auf kommunaler Stufe ist vieles vorgegeben, denn hier haben wir noch zwei höhere Stufen – Kanton und Bund – die uns beim Thema Bauen einen mitunter engeren Rahmen geben. In der Zukunft hoffe ich, dass wir als Gemeinden wieder mehr Autonomie erhalten und zugeschnittenere Lösungen für Einzelfälle finden können. Der aktuelle Gestaltungsspielraum ist da, aber meines Erachtens noch zu klein.

Welche Aufgaben machen Ihnen als Stadtrat am meisten Spass?

Mein Amt hat im Grunde zwei Hauptpfeiler: Zum einen die politisch-strategische Seite als Mitglied des Stadtrates mit den zweiwöchigen Sitzungen, Einsitznahme in Ausschüssen und der Baukommission und den Repräsentativ-Terminen. Diese Aufgaben schätze ich alle sehr, ich bin gerne unter Leuten und lernen neue Menschen kennen.

Der andere Pfeiler ist mein Amt als Departementsvorsteher Bau Umwelt Verkehr. Das Spannendste dabei ist für mich die Motivation und Führung der Mitarbeiter – denn diese sind das wichtigste und wertvollste Element, damit alles funktioniert. Wir haben eine gute Kultur im Departement und zahlreiche sehr gute Leute an Bord, die mir als Experten zur Seite stehen, auf die ich mich verlassen kann. Denn ich weiss und kann sicher nicht alles – und das muss ich in meiner Funktion auch nicht.

Wo lagen Ihre grössten Herausforderungen bisher?

Einerseits in meinem hohen Anspruch an mich selbst, mich möglichst schnell in alle Dossiers einzuarbeiten und sattelfest zu werden. Zum anderen war der Blitzstart am 1. September 2023 – fünf Tage nach der Wahl im zweiten Wahlgang – sehr sportlich und fordernd. Aber mein Jahresmotto lautete „ankommen, kennenlernen, einarbeiten und zuhören“ – das habe ich auch guten Gewissens machen können. Denn ich habe – schnell festgestellt, dass fast alle Angelegenheiten bereits sehr gut liefen.

Also wurde Ihnen das Departement von Ihrer Vorgängerin Gaby Krapf gut aufgeräumt übergeben?

Ich bin in ein geordnetes Department mit einer soliden und hilfsbereiten Kultur gekommen – da darf ich Gaby Krapf wirklich loben. Ich konnte mich sehr gut einarbeiten und hatte auch die Zeit dazu, weil es fast keine unaufgeräumten Problemecken gab.

Stehen Sie als Stadtrat heute direkter in Kritik als vorher?

Als Stadtrat steht man schon eher im Fokus. Vor allem im Baubereich kann man es nicht immer allen recht machen – das direkte Feedback oder die konstruktive Kritik sind aber auch gewünscht. Ich hatte unzählige Telefonate und Gespräche, die mich auch immer vorangebracht haben. Herausfordernd sind eher die härteren Einzelfälle: Ich wurde hier und da persönlich angegriffen, unsachlich kritisiert. Das hat mich mitunter getroffen. Zum Verdauen spreche ich darüber mit Amtskollegen oder auch mit der Familie, wenn es mich länger beschäftigt. Meine Lösung ist jetzt: Drüber schlafen, analysieren, drüber reden, einordnen, abhaken.

Trotz dieser Momente treten Sie aber noch für eine weitere Legislatur an?

Natürlich – Gegenwind gibt es immer und auch der macht einen stärker. Ich habe das Gefühl, dass ich momentan genau am richtigen Ort bin. Ich würde mich sehr freuen, weiterhin als Stadtrat wirken zu dürfen.

Dann am liebsten wieder als Bauchef? Wie stehen da Ihre Chancen?

Alle Departemente sind spannend, aber ich fühle mich in dem Bereich aktuell sehr wohl und angekommen. Da alle Stadträte wieder geschlossen und ohne Gegenkandidaten antreten, denke ich, könnte die Departementsverteilung so beibehalten werden. Aber die konstituierende Sitzung steht natürlich noch aus. Ich als jüngstes Mitglied könnte gemäss dem Anciennitätsprinzip dann nicht als erster wählen.

In die Zukunft geschaut: Ist nach dem Stadtrat Schluss oder ist für Sie auch das Stadtratspräsidium ein Ziel?

Ich bin aktuell 36 – ich sage niemals nie. Meine Motivation ist hoch, meine Pension noch in weiter Zukunft. Aber für jetzt und für die nächsten Jahre stimmt die Funktion als Stadtrat und Departementsvorsteher für mich zu 100 %. Die Arbeit ist herausfordernd, ich lerne viel dazu und habe noch so viele grossartige Projekte, die ich begleiten kann, sofern ich weiter im Amt bleiben darf.

An welche denken Sie da konkret?

Natürlich die Sportwelt Gossau als grösstes Projekt und zukunftsweisende Investition, aber auch die Erneuerung des Schulhauses Notker, die Strassenraum- und Dorfplatzgestaltung in Arnegg und diverse kleinere Projekte, die aktuell in der politischen Beratung sind. Und neue Projekte kommen bestimmt noch unzählige dazu.

Noch steht die Tribüne ohne Turm dort - noch diese Woche soll mit dem Bau begonnen werden. Bild: Vanessa Vogt
So sieht die Sportwelt aktuell aus. Die neue Tribüne (Mitte rechts) ist fast fertig. Bild: Vanessa Vogt

Apropos Sportwelt: Wie ist da der aktuelle Stand?

Im Grundsatz sind wir auf Kurs: Nach dem Terminprogramm liegen wir trotz der Wetterkapriolen im Frühling mit vielen Regentagen noch im Zeitrahmen. Die grossen Niederschlagsmengen und der antizipierte aber tatsächlich noch höhere Grundwasserstand waren zeitweise grosse Herausforderungen – wir konnten nicht weiterarbeiten, mussten verstärkt abpumpen. Beim Hallenbad beginnen wir nun mit dem Bau in die Höhe – die Baugrubenarbeiten sind beendet. Der Holzbauer ist bei den Tribünen in der Endphase – in den nächsten Wochen beginnt der Turmbau, der Orientierungspunkt der Gossauer Sportwelt.

Wie sieht es bei den Sportplätzen aus: Wird der FC Gossau im Frühjahr den Platz vollumfänglich nutzen können?

Die Kunstrasenplätze mit der Tribüne sollen noch vor dem Winter fertiggestellt werden, so dass der FC im Frühling termingerecht spielen kann. Die Naturrasenplätze folgen dann im Sommer nach.

Gemäss Terminplan im Baukreditantrag Modul 1, der 2022 erstellt wurde, sollte alles schon eher stehen: Die Tribünen und Kunstrasenplätze zum Beispiel im Juni 2024, die Finalisierung des Hallenbades Ende November 2025. Wie kam es zur Anpassung dieses Zeitplans?

Zu der Verzögerung gemäss ursprünglichem Zeitplan kam es auf Grund der umfassenden Baueingabe und dem Bewilligungsprozess, welcher für das Areal mehr Zeit beanspruchte. Erst als klar war, wann wir mit dem Bauen beginnen können, haben wir einen neuen Zeitplan erstellt: Dieser ist nun um ein paar Monate verschoben, aber seit Baustart gültig. Auf dessen Grundlage sind wir genau im Terminprogramm.

Es wurde ein Kredit von 56 Millionen Franken bewilligt: Schiessen wir hier bald über das Ziel hinaus?

Die Bauteuerung liegt im Allgemeinen bei 16.8% seit 2020. Das geht insbesondere an so grossen Projekten nicht spurlos vorbei. Die wirtschaftliche Situation mit der Teuerung und den teilweise wenigen Angebotseingaben auf der einen und der noch schlechter als erwartet beschaffene Baugrund mit höherem Grundwasserpegel und alten Überresten einer Betonplatte, die noch abgetragen werden musste, haben uns natürlich Geld gekostet. Die Erdarbeiten sind aber jetzt abgeschlossen und es dürfte zu keinen neuen Überraschungen mehr kommen. Wie teuer alles am Ende ganz genau kommt, wissen wir noch nicht, denn es stehen ja auch noch 25% der Vergaben aus.

Sie sprechen von wenigen Angebotseingaben. Woran kann das liegen?

Der Markt ist in gewissen Bereichen aktuell voll ausgelastet – viele Handwerker und Betriebe haben mehr als genug Aufträge und keine weiteren Kapazitäten. Wenn wir dann - zugespitzt gesagt - nur ein oder zwei Angebote erhalten, kann der Markt nicht gleich spielen, wie wenn 10 Offerten eingegeben werden. Umso mehr freut es mich aber auch, dass unser Gossauer Gewerbe preislich oft sehr attraktiv ist und mit der Konkurrenz mithalten kann.

Also konnten bei der Auftragsvergabe trotz der Teuerung noch Gossauer Unternehmen berücksichtigt werden?

Aktuell sind circa 75% der Aufträge vergeben, die anderen 25% betreffen zum Grossteil auch die Innenarbeiten im Hallenbad. Wir konnten bei den bisherigen Aufträgen viele an ansässige Gewerbe vergeben - unter anderem im Bereich Holzbau, Tiefbauarbeiten und Elektroarbeiten. Es freut mich, dass das Gossauer Gewerbe zu den wirtschaftlichsten Angeboten zählen und in vielen Fällen das Rennen gemacht haben. Denn auch da müssen wir ja die übergeordnete Submissionsgesetzgebung einhalten.

Welche Projektphasen stehen als nächstes an?

Im September wird die Bevölkerung erstmalig zu einem Rundgang eingeladen, um die Fortschritte der Sportwelt mit eigenen Augen zu sehen und alles greifbarer zu machen. Ende des Jahres kommt dann die 2. Etappe des Modul 1 ins Parlament: Dabei geht es um die Einzonung im Osten und die Bachoffenlegung. Das Modul 2, die Dreifachturnhalle im Buechenwald, findet sich momentan in Vorbereitung und Vorabklärung hinsichtlich des Wettbewerbes. Für die Planung warten wir aber die Überarbeitung vom GESAK-Update ab, welche im Budget 2025 eingeplant ist. Auf Grund der Budgetkürzungen wurde diese Notwendigkeit zunächst zurückgestellt.

 

Vanessa Vogt
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