Florin Scherrer, das erste Jahr als Stadtrat ist vorüber. Wurden Ihre Erwartungen ans Amt erfüllt?
Durch meine langjährige Verwaltungstätigkeit, mein vorheriges GPK-Präsidium und sieben Jahre Erfahrungen im Parlament habe ich eine gewisse Vorstellung vom Amt gehabt – und diese ist grossenteils so eingetroffen. Tatsächlich finde ich den Job aber noch spannender und abwechslungsreicher als erwartet. Überraschungen gab es auch: Ich musste noch nie so viele Unterschriften geben, wie im vergangenen Jahr. Ich glaube, ich muss mir eine kürzere Signatur zulegen, bei den ganzen Bewilligungen, die über meinen Tisch als Präsident der Baukommission gehen (lacht).
Heisst das bei allem Spass auch, dass Sie die zahlreichen Prozesse und Vorschriften, auch überrascht haben?
Nein, da ich schon im Kantonalen Baudepartement gearbeitet habe, waren mir die Wege und Prozesse durchaus bewusst. Auf kommunaler Stufe ist vieles vorgegeben, denn hier haben wir noch zwei höhere Stufen – Kanton und Bund – die uns beim Thema Bauen einen mitunter engeren Rahmen geben. In der Zukunft hoffe ich, dass wir als Gemeinden wieder mehr Autonomie erhalten und zugeschnittenere Lösungen für Einzelfälle finden können. Der aktuelle Gestaltungsspielraum ist da, aber meines Erachtens noch zu klein.
Welche Aufgaben machen Ihnen als Stadtrat am meisten Spass?
Mein Amt hat im Grunde zwei Hauptpfeiler: Zum einen die politisch-strategische Seite als Mitglied des Stadtrates mit den zweiwöchigen Sitzungen, Einsitznahme in Ausschüssen und der Baukommission und den Repräsentativ-Terminen. Diese Aufgaben schätze ich alle sehr, ich bin gerne unter Leuten und lernen neue Menschen kennen.
Der andere Pfeiler ist mein Amt als Departementsvorsteher Bau Umwelt Verkehr. Das Spannendste dabei ist für mich die Motivation und Führung der Mitarbeiter – denn diese sind das wichtigste und wertvollste Element, damit alles funktioniert. Wir haben eine gute Kultur im Departement und zahlreiche sehr gute Leute an Bord, die mir als Experten zur Seite stehen, auf die ich mich verlassen kann. Denn ich weiss und kann sicher nicht alles – und das muss ich in meiner Funktion auch nicht.
Wo lagen Ihre grössten Herausforderungen bisher?
Einerseits in meinem hohen Anspruch an mich selbst, mich möglichst schnell in alle Dossiers einzuarbeiten und sattelfest zu werden. Zum anderen war der Blitzstart am 1. September 2023 – fünf Tage nach der Wahl im zweiten Wahlgang – sehr sportlich und fordernd. Aber mein Jahresmotto lautete „ankommen, kennenlernen, einarbeiten und zuhören“ – das habe ich auch guten Gewissens machen können. Denn ich habe – schnell festgestellt, dass fast alle Angelegenheiten bereits sehr gut liefen.
Also wurde Ihnen das Departement von Ihrer Vorgängerin Gaby Krapf gut aufgeräumt übergeben?
Ich bin in ein geordnetes Department mit einer soliden und hilfsbereiten Kultur gekommen – da darf ich Gaby Krapf wirklich loben. Ich konnte mich sehr gut einarbeiten und hatte auch die Zeit dazu, weil es fast keine unaufgeräumten Problemecken gab.
Stehen Sie als Stadtrat heute direkter in Kritik als vorher?
Als Stadtrat steht man schon eher im Fokus. Vor allem im Baubereich kann man es nicht immer allen recht machen – das direkte Feedback oder die konstruktive Kritik sind aber auch gewünscht. Ich hatte unzählige Telefonate und Gespräche, die mich auch immer vorangebracht haben. Herausfordernd sind eher die härteren Einzelfälle: Ich wurde hier und da persönlich angegriffen, unsachlich kritisiert. Das hat mich mitunter getroffen. Zum Verdauen spreche ich darüber mit Amtskollegen oder auch mit der Familie, wenn es mich länger beschäftigt. Meine Lösung ist jetzt: Drüber schlafen, analysieren, drüber reden, einordnen, abhaken.
Trotz dieser Momente treten Sie aber noch für eine weitere Legislatur an?
Natürlich – Gegenwind gibt es immer und auch der macht einen stärker. Ich habe das Gefühl, dass ich momentan genau am richtigen Ort bin. Ich würde mich sehr freuen, weiterhin als Stadtrat wirken zu dürfen.
Dann am liebsten wieder als Bauchef? Wie stehen da Ihre Chancen?
Alle Departemente sind spannend, aber ich fühle mich in dem Bereich aktuell sehr wohl und angekommen. Da alle Stadträte wieder geschlossen und ohne Gegenkandidaten antreten, denke ich, könnte die Departementsverteilung so beibehalten werden. Aber die konstituierende Sitzung steht natürlich noch aus. Ich als jüngstes Mitglied könnte gemäss dem Anciennitätsprinzip dann nicht als erster wählen.
In die Zukunft geschaut: Ist nach dem Stadtrat Schluss oder ist für Sie auch das Stadtratspräsidium ein Ziel?
Ich bin aktuell 36 – ich sage niemals nie. Meine Motivation ist hoch, meine Pension noch in weiter Zukunft. Aber für jetzt und für die nächsten Jahre stimmt die Funktion als Stadtrat und Departementsvorsteher für mich zu 100 %. Die Arbeit ist herausfordernd, ich lerne viel dazu und habe noch so viele grossartige Projekte, die ich begleiten kann, sofern ich weiter im Amt bleiben darf.
An welche denken Sie da konkret?
Natürlich die Sportwelt Gossau als grösstes Projekt und zukunftsweisende Investition, aber auch die Erneuerung des Schulhauses Notker, die Strassenraum- und Dorfplatzgestaltung in Arnegg und diverse kleinere Projekte, die aktuell in der politischen Beratung sind. Und neue Projekte kommen bestimmt noch unzählige dazu.