Gossau hat auch in Krisen mit Sicherheit die Lampen an
Was 2019 mit einer einfachen Anfrage im Parlament gestartet ist, endete im Juli mit der Inbetriebsetzung: Der neue rund 2.8 Millionen teure Batteriespeicher mit einer erwarteten Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren steht auf dem Werkhof der Stadtwerk und ist für die Inbetriebnahme vorbereitet.
Teuerung fordert Nachkredit
Die Kosten gehen zulasten der Investitionsrechnung der Stadtwerke. Im März 2022 bewilligte das Parlament einen Kredit von 2 Millionen Franken – ähnlich wie bei der Sportwelt unlängst geschehen, musste auch hier auf Grund der Teuerungsrate nachjustiert werden. Die restlichen knapp 800‘000 Franken sprach der Stadtrat nachträglich aus. Der aktualisierten Berechnungsgrundlage zu Folge könnte es zu Einsparungen von rund 100‘000 Franken jährlich kommen. Diese liegen jedoch 50‘000 Franken unter den beim Antrag im Parlament erwarteten 150‘000 Franken.
Kurz vor Netzbetrieb
„Im September erfolgt nun die notwendige Präqualifikation durch die nationale Netzgesellschaft Swissgrid“, erklärt Stefan Erni, verantwortlicher Projektleiter der Stadtwerke, an der Medienorientierung. Die Swissgrid sichert und überwacht den Betrieb des Schweizer Übertragungsnetzes. Von der Präqualifikation abhängig ist der Netzbetrieb. „Wir haben das System bereits dreimal getestet. Es sollte alles reibungslos funktionieren“, stellt er in Aussicht. Realisiert wurde der Batteriespeicher gemeinsam mit der Axpo Grid AG, die als grösste Schweizer Stromproduzentin und internationale Vorreiterin im Energiehandel und in der Vermarktung von Solar- und Windkraft gilt.
Energiespitzen selbst bedienen
Verläuft die Prüfung erfolgreich und der Netzbetrieb kann aufgenommen werden, ergeben sich mehrere Nutzen für Gossau: Zum einen werden die Lastspitzen zur Mittagszeit geglättet („peak shaving“). Dies wiederum hat den Vorteil, dass die Stadtwerke weniger Leistungen beim Vorlieferant SAK (St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG) beziehen müssen. „Wir können so rund 50 % an Kosten sparen“, erklärt Raphael Mittelholzer, Leiter Markt und Energie. „Wenn es für uns günstiger wird, dann können wir das bei den neuen Tarifen für unsere Kunden berücksichtigen.“
Tarifvergünstigungen denkbar
Die Preise bis 2026 seien bereits fest. Danach habe verlässliche Zahlen zu dem Ersparnis durch die Batterie und könnte anpassen. Da die Leistungsbezüge der SAK nicht auf die privaten Haushalte umgelagert werden, würden voraussichtlich zunächst Gewerbe und Industrie davon profitieren. „Langfristig könnten aber je nach Einsparungsgrad auch die Privathaushalttarife angepasst werden.“
Inselbetrieb bei Stromausfall gesichert
Weitere Vorteile sind der bessere Ausgleich von Bedarfsschwankungen und die Aufrechterhaltung der Energieversorgung bei Stromausfall. „Allerdings können wir dies nur im Inselbetrieb für alle sicherheitsrelevanten Betriebe sicherstellen“, so Erni. Die Batterie vermag ganz Gossau nur drei bis fünf Minuten zu versorgen. „Gruppiert man alle relevanten Betriebe, können diese aber dauerhaft versorgt werden.“
Wie 5‘800 Photovoltaik-Module
Der Speicher ist aktuell nur zu 50 % gefüllt. „Wir können aber innerhalb einer Stunde den Speicher füllen, leeren und wieder füllen.“ Die gesamte Anlage besteht aus drei Teilen: Einer an den Netzstrom angeschlossenen Trafostation, der Mittelsspannungsanlage (MVPS) vom deutschen Hersteller SMA - dem innovativen Vorreiter in Wechseltrichtern und Solarenergie - mit 2.5 Megawatt Trafo-Leistung und dem Batteriespeichercontainer. Die knapp 6 Meter lange MVPS weist total eine vergleichbare Leistung von beachtlichen 5‘800 Photovoltaik-Panels auf.
Mit dem E-Auto bis nach Kapstadt und weiter
Der Batteriecontainer wiegt rund 40 Tonnen und enthält 360 Einzelbatterien mit jeweils 55 Kilogramm Gewicht. Seine Kapazität beträgt 2.9 Megawatt pro Stunde – mit dieser Strommenge könnte ein Elektroauto unglaubliche 16'000 Kilometer weit fahren: Von Gossau bis nach Kapstadt (Südafrika) sind es über den Strassenweg knapp 14‘500 Kilometer.
Gossau ist Pionierin
Mit der Anlage gehört Gossau zu den Pionieren der Region – selbst St.Gallen besitzt eine solche nicht: „Unser Batteriespeicher ist aktuell ist der grösste in der Region“, so Erni. Rheineck sei jedoch gerade am Bau einer noch grösseren Anlage dran. Auch Arbon, Maienfeld und Rapperswil verfügen über derartige Speicher, allerdings in kleinerer Ausführung.