Lokale Parlamente sind gemäss Wikipedia in der Schweiz die gesetzgebenden Organe auf Gemeinde- und Kantons-Ebene. Sie sind für kantonale und kommunale Gesetze, Budgets, Steuern und die Überwachung der Regierung zuständig und tagen meist öffentlich. Die Mitglieder der Parlamente werden direkt vom Volk gewählt und arbeiten oft in Kommissionen, um Sachfragen vorzubereiten, bevor sie im Plenum entschieden werden.
Der Haushalt der Stadt Gossau ist in Schieflage. Die Stadt – und das sind wir alle – gibt mehr aus, als sie einnimmt. Das geht so lange gut, wie die Aufwertungs- Reserven nicht aufgebraucht sind, was allerdings nicht mehr lange dauert. Und was dann? Die Antwort ist sehr komplex. Selbst Fachleute streiten darüber, wie denn ein ausgeglichener Stadthaushalt erreicht werden kann. Dass wir Laien das Problem nicht lösen können, liegt auf der Hand. Nicht zuletzt deshalb haben wir 2001 vom System der Bürgerversammlung zum Stadtparlament gewechselt. Vertrauensvoll haben wir unser Schicksal in die Hände von 30 Parlamentarierinnen und Parlamentariern gelegt. Sie sollen uns vertreten, der Verwaltung und der Exekutive auf die Finger schauen, stadträtliche Vorlagen prüfen, für uns denken und vor allem für uns entscheiden. Das hat lange Zeit recht ordentlich geklappt. Aber seit ein paar Jahren ist der Wurm drin. Immer häufiger hat der stille Beobachter den Eindruck, dass es nicht mehr um die Sache, sondern um die Wirkung beim Wahlvolk geht.
Natürlich gilt das negative Empfinden nicht für alle unsere 30 Volksvertreterinnen und Volksvertreter. Sonst hätte das Stadtparlament am letzten Dienstag nicht bis spät in die Nacht über die Details des Budgets 2026 der Stadt Gossau diskutiert, um kleinere und grössere Sparbeträge gerungen und schliesslich mit 19:11 dem um eine halbe Million reduzierten Budget 2026 zugestimmt. Zum auf «Vermittlung» der Mitte auf 121 Prozent festgelegten Steuerfuss sagten schliesslich 17 der 30 Parlamentsmitglieder ja. So weit so gut. Man hätte also um 3 Uhr nachts den Heimweg antreten und von einem demokratischen Entscheid reden können. Doch da gibt es im Geschäftsreglement der Stadt Gossau den Passus, dass zehn der 30 Parlamentsmitglieder das Ratsreferendum ergreifen können. Eine Minderheit von 12 Parlamentarierinnen und Parlamentariern liess sich vom Ratsreferendum-Teufelchen leiten. Et voilà: Das Volk muss am 8. März 2026 über Budget und Steuerfuss entscheiden. Unsere Delegierten delegieren den Entscheid zurück! Und damit sind wir wieder im Jahr 2000 – also vor der Zeit des Stadtparlaments.
Bei so viel Entscheidungs-Unfähigkeit frag ich mich: Hönd’s kei Luscht? Oder chönd’s nöd? Oder wönt’s nöd? Ein Blick in die Stadtrechnung 2024 zeigt übrigens: Der Parlamentsbetrieb kostet uns pro Jahr rund 200'000 Franken, eine lokale Abstimmung nochmals 50'000 Franken. Das wäre dann etwas mehr als ein halbes Steuerprozent …
Ein nachdenkliches Dritt-Advent-Wochenende wünscht
Drago
«Chönd’s oder wönd’s nöd?»
Kolumne auf Gossau24.
Bild:
jg
«Drache-Füür» vom 12. Dezember 2025.