Kantonsrätin Franziska Cavelti Häller, GLP:
14. Februar 2023
Es stehen nicht weniger als acht Finanzvorlagen zur Diskussion. Die erste Vorlage mit dem sperrigen Namen «Nachtrag zur Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenen- und Invalidenversicherung» wird bereits sehr emotional diskutiert. Es geht darum, wer die Mindestbeiträge für AHV und IV für Nicht-Erwerbstätige, meist Sozialhilfebeziehenden, bezahlen soll. Bis anhin war dies der Kanton, neu sollen dies die Gemeinden übernehmen. Zu grosser Diskussion Anlass gab vor allem der Verteilschlüssel. Die Ratsmehrheit entschloss sich zu einem Verteilschlüssel nach Sozialhilfebeziehenden. Somit werden Städte und Gemeinden mit hohem Sozialhilfe-Anteil zusätzlich belastet, wobei insbesondere Rorschach St. Gallen überproportional belastet werden. Ob diese erneute Schwächung der Finanzkraft unserer Hauptstadt im Sinne der ganze Region Ostschweiz ist, darf bezweifelt werden.
Ein Nachtrag zum Volksschulgesetz, ebenfalls eine Finanzvorlage, wurde vor allem von Grüner Seite bestritten. Die Gesetzesanpassung sieht vor, dass Lehrmittel vollumfänglich von den Gemeinden finanziert werden. Als Folge davon werden keine Schulbücher mehr vorgeschrieben. Die Wahl der Lehrmittel wird somit voll und ganz dem Schulträger überlassen.
Der Aufgaben- und Finanzplan 2024 bis 2026 (AFP) ist eine rollende Planung, welche die prognostizierten Erträge und die grössten Investitionen, Aufwendungen und Projekte von grosser finanzieller Tragweite gegenüberstellt. Der AFP ist somit ein wichtiges Steuerungssystem, um zukünftige Finanzentwicklungen und Schwerpunktprojekte abzubilden. In den letzten «goldigen» Jahren hat der Kanton ein sattes Eigenkapitalpolster von über 1,4 Mia. Franken aufbauen können. Dieses wird auch notwendig sein, da die Gelder der Schweizerischen Nationalbank, ein wichtiger Einnahmepfeiler, kaum mehr fliessen werden. Zankapfel sind einmal mehr die Löhne des Staatspersonals. Die Ratsmehrheit folgt den restriktiven Massnahmen der Finanzkommission, d.h. für die Teuerung 2024 sind 1,4% und für Personalausbau 0,2% eingestellt. Für den Frühsommer wurde von der Regierung eine Auswertung zu den Löhnen des Staatspersonals versprochen. Diese Erkenntnisse werden dann ins Budget 2024 einfliessen und Korrekturen sind dann punktuell immer noch möglich.
Der AFP weist aber auch Mängel auf. Das Schwerpunktthema «Klimaschutz stärken» sucht man in der vorliegenden Botschaft vergebens. Massnahmen zum Artenschutz, zur Stärkung der Biodiversität oder zur nachhaltigen Energieförderung sind kaum erwähnt. Wir stecken in einer Energie- und Biodiversitätskrise und die Regierung hat in diesen matchentscheidenden Handlungsfeldern keine Pläne? Oder zumindest keine Pläne mit finanzieller Auswirkung? Dieses Manko wird den Kanton teuer zu stehen kommen. Ebenso schwer nachvollziehbar ist die Tatsache, dass Gelder für die Umsetzung der Pflegeinitiative im AFP nicht eingestellt wurden. Immerhin wäre bekannt, dass die Bildungsoffensive in der Pflege 2024 wahrscheinlich gegen 5,5 Mio. Franken kosten wird und der zweite Teil, welcher die Verbesserungen der Anstellungsbedingungen zum Ziel hat, in den kommenden Jahren einen grossen Finanzbedarf aufweisen wird.
«Die Party geht weiter»
Am Nachmittag wird über drei Steuervorlagen debattiert. Heiss diskutiert wurde im XIX. Nachtrag die Änderung des Artikels 317, welcher den automatischen Ausgleich der kalten Progression zum Ziel hat. Dieser Antrag wurde ohne Vorberatung und ohne Botschaft der Regierung von der vorberatenden Kommission eingebracht. Dieses Vorgehen hat zu grossem Unmut geführt, da Steuermindereinnahmen nicht nur beim Kanton, sondern auch bei den Gemeinden im Gesamtumfang von geschätzten 20 Mio. Franken prognostiziert werden. Eine Rückweisung des Antrages verbunden mit einer vertieften Prüfung und Variantendiskussion wurde leider abgewiesen. Die Ratsmehrheit unterstützte in der Folge die Hauruckübung der vorberatenden Kommission.
Der XX. Nachtrag sieht die Gleichstellung von Konkubinatspartnerinnen und -partner bei Schenkung und Erbschaft vor, sofern eine mindestens fünfjährige Wohn- und Lebensgemeinschaft mit gleichem Wohnsitz besteht. Somit sind Konkubinatspaare neu Eltern-, Stief- und Pflegeeltern gleichgestellt. Diese Änderung war von links bis rechts unbestritten.
Der XXI. Nachtrag zum Steuergesetz entlastet wiederum reichere Bevölkerungsschichten, nämlich Liegenschaftsbesitzer, die in vielen Fällen wahrscheinlich mehr als eine Liegenschaft besitzen und deshalb in der Lage sind, Wohnraum an nahe Verwandte oder nahestehende Personen zu Vorzugskonditionen zu vermieten. Ihnen soll der Eigenmietwert für die vermietete Liegenschaft nur in reduzierten Umfang am steuerbaren Einkommen angerechnet werden. Eine erneute Steuersenkung für Bessergestellte, die leider wieder eine Mehrheit fand – ein unnötiger Nachtrag.
Und weiter geht es mit Steuersenkungen. Obwohl die St. Galler Bevölkerung 2015 den Pendlerabzug für Autofahrende und ÖV-Pendler auf das 2. Klass-GA in einer Volksabstimmung plafoniert hat, entschied die Mehrheit des Rates, dass Pendlerinnen und Pendler mit dem privaten Auto unter gewissen Bedingungen steuerlich gegenüber dem ÖV-Benutzer bessergestellt werden sollen. Ein Fehlanreiz in Zeiten des Klimawandels und eine Missachtung des Volkswillens - unverständlich!
Eine Steuersenkung folgt der nächsten – wer soll diese Ausfälle zukünftig ausgleichen? Finanzchef Marc Mächler hat anlässlich der November-Session festgestellt, das Parlament sei in Party-Stimmung. Offensichtlich geht die Party weiter!
Behandlung von weiteren Vorstössen des Departements des Innern
Eine SVP-Motion verlangt, dass Einbürgerungswillige im ordentlichen Verfahren neu das Deutsch-Niveau B2 (statt B1) erreichen müssen. Unbestritten war für alle Parteien, dass gute Deutschkenntnisse für eine gelungene Integration und damit für eine Einbürgerung unverzichtbar sind. Die Erhöhung der Deutschanforderungen von B1 auf B2 erachtete jedoch die Ratsmehrheit als zu grosse Hürde. Auf die Motion wurde in Folge nicht eingetreten.
Das Anliegen der SP-Motion, dass Unterstützungsleistungen für vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne definitive Aufenthaltsbewilligung teilweise bei weniger als 50 Prozent des errechneten Lebensunterhalts gemäss KOS-Richtlinien liegen, wurde von der Regierung und von einigen Parteien als Problem anerkannt. Da die Höhe der Asylsozialhilfe durch die Gemeinden definiert wird, möchte der Rat nicht in die Gemeindehoheit eingreifen. Die Grünliberalen lancieren einen flammenden Appell an die VSGP, der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidenten, in dieser Frage aktiv zu werden.
Ein anspruchsvoller Sessionstag fand um 17:00 Uhr sein Ende. Morgen geht es weiter.