Verkehr Gossau: Konsensfähige Lösung gesucht
Das Thema Verkehr beschäftigt die öffentliche Diskussion der Stadt Gossau seit Jahrzehnten. Mehrere Versuche, das Gossauer Verkehrsproblem zu lösen, haben keine Mehrheit gefunden und sind mehr oder weniger kläglich gescheitert. Das Resultat: «Das Verkehrssystem in Gossau ist am Anschlag», wie Stadtpräsident Wolfgang Giella heute Montag vor Medienvertretern feststellte. «Noch mehr motorisierten Individualverkehr kann das Verkehrssystem Gossau nicht bewältigen. Soll die Stadt Gossau aber als Wohn- und Arbeitsplatz weiterwachsen, müssen wir dringend eine Lösung für das Gossauer Verkehrsproblem finden.»
Mehr Strassen sind keine Lösung
Dass der Bau von weiteren Strassen keine Lösung ist, hat der Kanton in seiner «Zweckmässigkeitsbeurteilung» schon 2017 gezeigt. Aktuell werden in Gossau pro Werktag 132'000 Verkehrsbewegungen gezählt, davon erfolgen 68% per MIV (motorisierter Individualverkehr), 18% zu Fuss, 12'000 mit dem öffentlichen Verkehr ÖV und 5% mit dem Velo. Dabei ist jede zweite MIV-Bewegung weniger lang als zwei Kilometer. Bei dem für die nächsten 15 Jahre vorausgesagten Wachstum der Stadt Gossau um 3000 Einwohnerinnen und Einwohner und umv2000 Arbeitsplätze rechnen die Planer für das Jahr 2040 mit 154'000 werktäglichen Verkehrsbewegungen. «Bleibt der Anteil des MIV gleich, so zählen wir dann 105'000 Bewegungen mit dem Auto», erklärte Gaby Krapf-Gubser, die als Bauvorsteherin für das Thema «Verkehr» zuständig ist. «Und das schlucken unsere Strassen definitiv nicht mehr! Wir müssen also Mittel und Wege finden, um die zusätzlichen Bewegungen mit anderen Verkehrsmitteln – mit Fuss, ÖV oder Velo – zu bewältigen.»
Mobilitätstrategie
Wie die Lösungen auf dem bestehenden Gossauer Strassennetz aussehen könnten, soll ein Gesamtverkehrskonzept (GVK) zeigen. Grundlage dieses Konzeptes ist die sogenannte Mobilitätsstrategie. Eine erste Version hat der Stadtrat im Herbst 2021 bei Organisationen mit direktem Bezug zu Mobilitätsfragen in Vernehmlassung gegeben. Die teilweise kontroversen Rückmeldungen decken die ganze Bandbreite der Positionen in der Verkehrsdiskussion ab. Jetzt unterbreitet der Stadtrat die auf Grund der Rückmeldungen überarbeitete Mobilitätsstrategie dem Stadtparlament zur Beratung. Der Rat erwartet, dass sich die zur Vorberatung eingesetzte Kommission unter der Leitung von Frank Albrecht (SVP) intensiv mit der Thematik auseinandersetzt und die vorgelegte Mobilitätsstrategie anreichert. Wolfgang Giella: «Das Ziel der Übung sind konsensfähige Lösungen für unser Verkehrsproblem.»
Nicht ideologisch gefärbt
Die Strategie bestätigt, was das Parlament bereits 2016 im einstimmig verabschiedeten Stadtentwicklungskonzept festgehalten hat: Für eine stadtverträgliche und energieeffiziente Mobilität ist ein verändertes Mobilitätsverhalten unumgänglich. «Das hat mit rot-grünem Denken nichts zu tun», meint Gaby Krapf zum möglichen Vorwurf, das vorgelegte Strategiepapier sei ideologisch gefärbt. «Wir versuchen vielmehr, den bis 2040 zu erwartenden Mehrverkehr durch geeignete Massnahmen in den Bereichen ÖV sowie Fuss- und Veloverkehr aufzufangen. «Um dem drohenden Verkehrskollaps zu entgehen, müssen wir in vier Dimensionen denken und handeln: Verkehr verlagern, Verkehr vernetzten, Verkehr vermeiden, Verkehr verträglich gestalten. Dabei geht es nicht darum, den MIV zu verteufeln, sondern die Mobilitätssituation aller Verkehrsteilnehmenden zu verbessern.» Wie Krapf weiter ausführte, bilden dafür «anerkannte Modelle mit wissenschaftlichen Grundlagen» die Basis.
Stossrichtung
Die Mobilitätsstrategie definiert noch keine konkreten Massnahmen, das bleibt dem folgenden Gesamtverkehrskonzept überlassen. Dennoch skizzierte Hans-Peter Roters als Leiter des Gossauer Tiefbauamtes vor den Medienvertretern mögliche Stossrichtungen. So sei es wichtig, dass die Siedlungsentwicklung an zentralen und gut mit ÖV erschlossen Lagen erfolge, dass für neue Überbauung Mobilitätsvorgaben gemacht würden, dass sogenannte Mobilitätshubs geplant würde, dass die Infrastruktur für Fussgänger und Velofahrer verbessert werde und die Angebote des Öffentliche Verkehrs attraktiver und «dichter» gemacht würden. Im Interesse der MIV-Benutzer müssten die Lenkung und Steuerung der Parkierung verbessert und Bemessung der Abstellplätze bei neuen Nutzungen optimiert werden. Schliesslich gehe es darum, den angestrebten Wandel der Mobilität aktiv zu begleiten. «Bei all diesen angedachten Massnahmen dürfen wir nicht vergessen, dass wir alle den Verkehr verursachen, nicht die anderen…»